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Kämpfe im Irak : Die neuen Herren der Ölfelder

  • -Aktualisiert am

Kurdische Kämpfer in Kirkuk Bild: AP

Die Kurden sind der große Gewinner des Isis-Vormarschs im Irak. Innerhalb weniger Tage konnten sie ihr Gebiet um Hunderte Quadratkilometer erweitern - und sich riesige Rohstoffvorkommen sichern.

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          An der Wand hängt ein riesiger Stadtplan Kirkuks. Akribisch sind alle Plätze und Straßen der reichsten irakischen Stadt eingezeichnet, auch die turkmenischen, arabischen, kurdischen und christlichen Viertel. Bis vor wenigen Jahrzehnten waren die Kurden hier noch in der Minderheit. Das ist heute anders. „Kirkuk gehört uns, das hier ist Kurdistan!“, sagt Abdul Rahman. Der kräftig gebaute Mann mit scharfem Blick ist außenpolitischer Sprecher der Patriotischen Union Kurdistans (PUK), der stärksten politischen Kraft in der 400.000-Einwohner-Stadt.

          Abdul Rahman spricht Deutsch, oder besser: Österreichisch. In Salzburg studierte er Philosophie, ehe er 2003, kurz nach dem Sturz Saddam Husseins, in seine Heimatstadt zurückkehrte. Eine Dekade später haben sich seine kühnsten Träume erfüllt. Generalstabsmäßig marschierten Peschmerga-Kämpfer der Autonomieregierung in Arbil vor knapp zwei Wochen in Stellungen ein, die die irakische Armee kampflos hinterlassen hatte.

          Die Felder von Baba und Khurmala

          Aus Furcht, in die Hände der Gotteskrieger des Islamischen Staats im Irak und (Groß)-Syrien (Isis) zu fallen, hatten Tausende Soldaten der 12. Division Uniformen und Marschgepäck einfach in den Staub geschmissen und sich in der autonomen Kurdenregion im Nordirak in Sicherheit gebracht. Die Kurdenführer sind so zu den großen Gewinnern des neuen Irak-Krieges geworden – und zu den neuen Herren der riesigen Ölfelder rund um die Provinzhauptstadt, die anders als Arbil, Dohuk und Suleimanije nicht zur Autonomieregion gehören.

          Es geht um die ölreichste Gegend des Landes, neben Basra im schiitischen Süden: 280.000 Fass am Tag wurden zuletzt über die Kirkuk-Pipeline ausgeführt, ehe Anschläge islamistischer Terroristen die Exporte im März zum Erliegen brachten. 2001, vor der amerikanischen Invasion, waren es sogar 900.000 Fass, die von Kirkuk aus auf dem Weltmarkt landeten. Den Gewinn steckte die Zentralregierung ein. Das dürfte sich schon bald ändern: Die bei Kirkuk gelegenen Felder von Baba und Khurmala könnten zum Dreh- und Angelpunkt eines souveränen Staates Kurdistan werden – diese Vision beflügelt die Kurden seit Jahrzehnten.

          Klammheimliche Freude

          Auch der irakische Präsident Dschalal Talabani hat sie nie ganz vergessen, obwohl er in Bagdad eigentlich nationale Interessen zu vertreten hatte. Überall auf dem Gelände der Kurdenpartei in der verwaisten Innenstadt Kirkuks hängen Bilder des schwer erkrankten PUK-Führers, der seit Dezember 2012 in einem Berliner Krankenhaus behandelt wird. Wäre er noch handlungsfähig, sagt der jordanische Botschafter in Bagdad in einem Interview, das gerade über den Fernseher in Abdul Rahmans Büro läuft, hätte Isis es nie geschafft, das Land an den Rand des Abgrunds zu bringen.

          Wohin man dieser Tage auch kommt in Kirkuk, die Menschen sitzen vor den Bildschirmen – und alle Sender zeigen Aufnahmen vom Siegeszug der Isis-Kämpfer mit ihren schwarzen Fahnen. Im Vorzimmer von Abdul Rahmans Büro haben sich Uniformierte auf Sofas unter einem Porträt Talabanis aneinandergedrängt und starren auf die Fernsehbilder. Von Angst ist nichts zu spüren – anders als in Bagdad oder Takrit, wo viele eine Rückkehr des Terrors der Jahre 2005 bis 2008 fürchten. Bei den irakischen Kurden herrscht klammheimliche Freude über den Blitzkrieg der Dschihadisten. Innerhalb weniger Tage konnten die Kurden ihr Gebiet um Hunderte Quadratkilometer erweitern.

          Bild: F.A.Z.

          Die seit Jahren ungelösten Streitigkeiten mit der Zentralregierung in Bagdad wurden im Handstreich beseitigt. Auch über Abdul Rahmans Schreibtisch hängt ein Bild Talabanis, des Gegenspielers von Kurdenpräsident Barzani. Barzani führt in Arbil die kurdische Konkurrenz der PUK an, die Kurdische Demokratische Partei (KDP). Über Jahre lieferten sich die Milizen der beiden Parteien einen blutigen Bürgerkrieg, ehe der Sturz der Saddam-Diktatur 2003 sie einen entscheidenden Schritt voranbrachte auf dem Weg zum eigenen Staat. Fortan zogen sie an einem Strang. Während Barzani von Arbil aus eine eigene Außenpolitik betrieb und die Verbindungen zur benachbarten Türkei ausbaute, setzte Talabani in Bagdad kurdische Interessen durch.

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