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Besuch in Berlin : Israelische Siedler düpieren CDU-Abgeordnete

Angespannte, aggressive Atmosphäre im Westjordanland: Einige Palästinenser versuchen andere davon abzuhalten, israelische Siedler weiter zu verletzen. Die Szene wurde in einem Rohbau der Siedler am 7. Januar in Qusra aufgenommen. Bild: AP

Die CDU-Bundestagsabgeordnete Gitta Connemann trifft Siedler aus dem Westjordanland. Danach schreiben israelische Medien von einer „neuen Lobby im Bundestag“ für den Siedlungsbau. Connemann fühlt sich missverstanden - und ist „bestürzt“.

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          Die Siedler im nördlichen Westjordanland haben ihr eigenes Außenministerium gegründet. Seit dem vergangenen Jahr verfügt der israelische „Regionalrat von Samaria“ über ein eigenes Büro für auswärtige Angelegenheiten. Knapp 30.000 Israelis leben in den gut 30 Siedlungen, die bis an die palästinensische Stadt Nablus heranreichen. Mit unverhohlenem Stolz verbreitet die Abteilung des Regionalrats für Außenbeziehungen Fotos, die den Vorsitzenden Gerschon Mesika zeigen, als er im Mai 2013 in Brüssel vor einem Ausschuss des Europäischen Parlaments sprach – zum Beweis für den Erfolg der diplomatischen Initiative, deren Ziel es nach Angaben der Initiatoren ist, ein „ausgewogenes Bild“ ihrer Siedlungen zu vermitteln, die nach einem Friedensabkommen alle geräumt werden müssten.

          Hans-Christian Rößler
          Politischer Korrespondent für die Iberische Halbinsel und den Maghreb mit Sitz in Madrid.

          Gerschon Mesika ist nicht der einzige prominente Siedlervertreter, der seit Monaten unablässig durch Europa reist und Verbündete für seinen Kampf gegen einen israelischen Rückzug aus den besetzten Gebieten sucht. Dani Dajan, der langjährige Vorsitzende des Siedlerrats Jescha, ist zum heimlichen Außenminister der mehr als 300.000 Israelis geworden, die im Westjordanland leben. „In den Parlamenten auf der ganzen Welt wächst die Gruppe derer, die versteht, dass die Idee einer Zwei-Staaten-Lösung schlecht oder nicht zu verwirklichen ist“, will Dajan auf seinen Reisen beobachtet haben, die ihn auch in den amerikanischen Kongress führten.

          „Bedeutender Meilenstein“ für die Siedler

          Kurz nach Weihnachten meldete nun „Arutz 7“ einen „historischen“ Erfolg der Siedler-Botschafter: „Neue Lobby für Siedlungen im Bundestag gegründet“, lautete die Überschrift über dem Beitrag des einstigen Piratensenders der Siedlerbewegung. Gemeinsam mit dem Außenamt des Regionalrats von Samaria wolle die neue Gruppe „gegen die wirtschaftlichen Boykotte Israels, den Rückzug aus Judäa und Samaria und gegen den Baustopp kämpfen“, heißt es auf der Internetseite des Senders weiter, auf der auch mehrere Fotos und ein Videofilm verbreitet werden. Regionalrats-Vorsitzender Mesika und sein Stellvertreter Jossi Dagan sind zu sehen, wie sie sich an der Debatte im Bundestag beteiligen und der CDU-Abgeordneten Gitta Connemann einen Wimpel aus ihrer Heimat überreichen.

          Die Bundestagsabgeordnete Gitta Connemann (CDU) hat eine andere Erinnerung an das Treffen am 18. Dezember in Berlin: „Von Siedlungsbau war zu keiner Zeit die Rede“
          Die Bundestagsabgeordnete Gitta Connemann (CDU) hat eine andere Erinnerung an das Treffen am 18. Dezember in Berlin: „Von Siedlungsbau war zu keiner Zeit die Rede“ : Bild: Gitta Connemann

          Jossi Dagan bezeichnet die Gründung der Lobbygruppe im Bundestag in dem Film als einen „bedeutenden Meilenstein“. Gerschon Mesika wertet die Teilnahme zahlreicher Bundestagsabgeordneter als Zeichen „gegen den Boykott von Judäa und Samaria“. „Wir sind näher an den Bundestag und an die Umgebung von Angela Merkel herangekommen, auch wenn noch viel Arbeit zu tun bleibt“, sagt Jossi Attias zufrieden, der bis vor einem Jahr für den israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu arbeitete und danach half, das Außenbüro von Samaria aufzubauen.

          Abgeordnete Connemann „bestürzt“

          In Berlin hatte man jedoch das Treffen am 18. Dezember in ganz anderer Erinnerung. Sie sei „bestürzt“ darüber, was die Vertreter des Regionalrats daraus gemacht hätten, sagte die CDU-Abgeordnete Gitta Connemann der Frankfurter Allgemeinen Zeitung: „Von Siedlungsbau war zu keiner Zeit die Rede.“ Neben hatten an der Zusammenkunft noch elf weitere Abgeordnete teilgenommen, unter ihnen auch jeweils zwei Parlamentarier der Partei „Die Linke“ und der SPD. Die Besucher aus Israel hatten den Termin nachträglich regelrecht gekapert.

          Ansatz zur Schaffung von Frieden im Nahen Osten

          Ursprünglich hatte der israelische Knesset-Abgeordnete Rabbi Nissim Zeev von der Schas-Partei nur um ein Gespräch mit deutschen Parlamentariern gebeten. Es sollte um eine Parlamentsübergreifende Initiative der „Inter-Parliamentary Coalition for Global Ethics“ gehen, deren Vorstand Zeev angehört, wie Gitta Connemann berichtet. Als stellvertretende Vorsitzende der deutsch-israelischen Parlamentariergruppe habe sie die Gesprächsanfrage an ihre Kollegen im Bundestag weitergeleitet. Als Vertreter der Ethik-Initiative waren dann auch der ehemalige rumänische Staatspräsident Emil Constantinescu, ein Imam und ein Großrabbiner dabei. Der israelische Abgeordnete Zeev brachte die drei Vertreter des Regionalrats demnach als seine eigenen Gäste mit, die von deutscher Seite nicht eigens eingeladen wurden.

          „Es ging um einen interreligiösen, interparlamentarischen und interkulturellen Ansatz zur Schaffung von Frieden im Nahen Osten. Auch Mesika und Dagan meldeten sich zu Wort, redeten über den Boykott und die iranische Atombombe, sagten aber keinen Ton über die Siedlungen“, sagt Gitta Connemann. Sie hatte sich in der Vergangenheit schon einmal mit Vertretern des Regionalrats getroffen. „Ich spreche mit allen Beteiligten, nur nicht mit der Hamas und der Hizbullah“, erläutert sie.

          In diesem Jahr hoffte der Regionalrat von Samaria auf einen Besuch der deutschen Parlamentarierin; mehr als 80 europäische Abgeordnete hatte man dort im vergangenen Jahr durch die Siedlungen geführt. Nachdem der deutschen Abgeordneten auch in der Übersetzung ihrer allgemein gehaltenen Videobotschaft noch Grüße an „unsere Freunde in Samaria“ (statt in Israel) untergeschoben worden sind, wird daraus wohl nichts. Für sie war das ein „bösartiger Missbrauch der Gastfreundschaft“.

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