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+++ Bagdad Briefing +++ : Erdogans Kalkül

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In einem von der Terrorgruppe verbreiteten Video soll einer ihrer Kämpfer in der Nähe von Kobane zu sehen sein Bild: AFP PHOTO / HO / AAMAQ NEWS

Dank der Kämpfe um die syrische Stadt Kobane könnte ein Kalkül des türkischen Präsidenten Erdogan aufgehen. Er will ein humanitäres Eingreifen der Türkei möglicherweise zur Schaffung einer Pufferzone nutzen.

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          Die Berichte sind widersprüchlich: Die Lage habe sich am Wochenende entspannt, sagen Bewohner der seit zwei Wochen von Einheiten des „Islamischen Staats“ eingeschlossenen syrisch-kurdischen Enklave Kobane. Hunderte Rückkehrer aus dem türkischen Suruc hätten sich dem Kampf der Volksverteidigungseinheiten YPG angeschlossen, um die Einnahme durch die Terrorgruppe zu verhindern. Diese sei auch am Sonntag näher an Kobane herangerückt, berichten wiederum Journalisten aus der Stadt selbst.

          Auch am Montag ist das Zentrum wieder schwer beschossen worden. „So heftig waren Angriffe tagsüber noch nie“, schreibt Nahostkorrespondent Dirk Emmerich vom Nachrichtensender NTV aus der Nähe der Stadt auf dem Kurznachrichtendienst Twitter. Zwar hatte die arabisch-amerikanische Antiterrorallianz am Wochenende die bislang heftigsten Angriffe auf Stellungen der Dschihadisten geflogen, doch sie aus dem Westen der Stadt vertreiben, von wo der Artilleriebeschuss besonders stark ist, gelang dadurch bislang nicht. Lediglich aus mehreren Dörfern im Osten Kobanes zogen sich die Kämpfer des selbst ernannten Kalifen Abu Bakr al Bagdadis zurück.

          In kurdischen Kreisen wird deshalb bereits darüber spekuliert, ob nicht in augenzwinkernder Kumpanei hinter den Kulissen längst an einem größeren Plan gearbeitet werde, der für die Türkei eine entscheidende Rolle bei der Stabilisierung Nordsyriens vorsehe. Damit könnte Präsident Recep Tayyip Erdogan sein lange gehegtes Ziel erreichen, eine Pufferzone zwischen der Türkei und Restsyrien einzurichten – und eine autonome kurdische Region an der türkischen Südflanke zu verhindern. Dem „Islamischen Staat“ komme darin der Part zu, die syrisch-kurdischen Autonomiegebiete um Kobane so zu schwächen, dass die internationale Gemeinschaft einer türkischen Schutztruppe eines Tages zustimmen müsse – um eine Verschlechterung der humanitären Lage zu verhindern.

          Bereits am Dienstag soll das Parlament in Ankara über eine Anfrage Ministerpräsident Ahmet Davutoglus beraten, der der Regierung ein stärkeres Mandat für einen möglichen Militäreinsatz in Syrien und im Irak geben soll. Nach der Rückkehr von der Vollversammlung der Vereinten Nationen in New York hatte Erdogan der Tageszeitung „Hürriyet“ gesagt, das türkische Militär könne sich am Aufbau einer Sicherheitszone in Syrien beteiligen. „Bei der Verteilung der Verantwortlichkeiten hat jedes Land seine Pflicht“, sagte Erdogan. „Was auch immer die Rolle der Türkei ist, die Türkei wird sie übernehmen.“

          „Wir können uns nicht mehr heraushalten“, sagte Erdogan am Sonntag – noch bevor am Montag eine aus Syrien abgefeuerte Granate nahe der türkischen Grenzstadt Mursitpinar einschlug. Um die 900 Kilometer lange türkisch-syrische Grenze zu sichern und die zu Zehntausenden in die Türkei flüchtenden Syrer zu schützen, müssten Puffer- und Flugverbotszonen eingerichtet werden, hatte er zuvor in dem Interview mit „Hürriyet“ gesagt – eine Linie, die er seit Beginn offener bewaffneter Auseinandersetzung zwischen syrischen Regierungseinheiten und Oppositionsmilizen 2012 verfolgt. Nun könnte sein Kalkül dank der Schlacht um Kobane aufgehen.

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