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Aufstand gegen Assad : Der syrische Religionskrieg

Trauer um getötete Angehörigen in Azaz - mutmaßlich nach einem Luftschlag der syrischen Armee Bild: REUTERS

Aus dem Aufstand gegen Assad ist ein Kampf aller gegen alle geworden. Der Bürgerkrieg zwischen den Konfessionen kann noch lange andauern. In dieser schier aussichtslosen Lage darf der Westen dennoch nicht tatenlos zusehen.

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          Im syrischen Bürgerkrieg steigt die Opferzahl dramatisch. Mehr als 60.000 Menschen wurden bisher getötet, mehr als drei Millionen sind auf der Flucht. Hoffnung, dass der Krieg bald enden könnte, besteht nicht: Er wird weitergehen bis zur vollständigen Erschöpfung mindestens einer der Kriegsparteien. Eine politische Lösung wird es nicht geben, weil sich der Diktator Assad auf seine Verbündeten Russland und Iran verlassen kann.

          Dieser Bürgerkrieg kann sich also noch lange hinziehen. Selbst nach einem Sturz Assads wird er nicht sofort beendet sein. In den vergangenen Wochen hat sich die Balance allerdings wieder zugunsten des Regimes verschoben. Trotzig und aus einer Position relativer Stärke heraus lehnte Assad, nach sieben Monaten des Schweigens, jeden Dialog mit der Opposition ab. Assad fühlt sich gestärkt, weil amerikanische Kriegsschiffe das östliche Mittelmeer verlassen haben; dort kreuzen jetzt russische Kriegsschiffe. Aus Moskau hieß es, diese Einheiten sollten die Entsendung westlicher Bodentruppen nach Syrien verhindern.

          Gestärkt fühlt sich Assad auch deshalb, weil die Rebellen nicht in der Lage sind, eroberte Gebiete dauerhaft zu halten. In Aleppo schlägt ihnen inzwischen offen der Unmut der Bevölkerung entgegen. Sie wirft den Aufständischen vor, sie hätten Krieg und Zerstörung über die Stadt gebracht.

          Assad wird nicht zur Einsicht kommen

          Die meisten Opfer gehen zweifellos auf das Konto des Regimes. Als Assad seinen Landstreitkräften nicht mehr traute, ließ er Stellungen der Rebellen und zahlreiche Städte erst mit Kampfflugzeugen und dann mit Scud-Raketen russischer Herkunft angreifen. Sollte er den nächsten Eskalationsschritt riskieren und zu Chemiewaffen greifen, würde die Staatengemeinschaft vermutlich nicht länger zusehen. Das signalisierten ihm vor zwei Monaten, als die syrische Luftwaffe Chemiewaffen gefechtsklar machte, Washington und Moskau in hektischer Diplomatie. Von den Chemiewaffen geht indes unverändert die größte Gefahr aus. Es ist kaum möglich, vorherzusagen, in wessen Händen sie sich in den kommenden Monaten befinden werden. Auch Dschihadisten versuchen, sich ihrer zu bemächtigen.

          Assad wird nicht zu der Einsicht kommen, dass er aufgeben muss. Er will seinem Vater gerecht werden, der vor vierzig Jahren einen Aufstand mit großer Brutalität niedergeschlagen hatte. Angeblich bewachen iranische Eliteeinheiten den syrischen Diktator. Zudem hält sein Umfeld loyal zu ihm - umso loyaler, je länger der Konflikt dauert. Denn die religiöse Minderheit der Alawiten rechnet nach einem Abgang Assads mit dem Schlimmsten. Aus der Revolution ist ein Bürgerkrieg zwischen Konfessionen geworden. Die Dschihadisten halten die Alawiten für Ungläubige, und selbst gemäßigte Sunniten wollen sich für die jahrzehntelange Unterdrückung an den Alawiten rächen. Es geht in diesem Streit um das schiere physische Überleben. Diese Konstellation kann noch viele Monate, ja Jahre Bestand haben.

          Was kann die Staatengemeinschaft in dieser aussichtslosen Lage tun? Es gibt nur wenig Möglichkeiten. Selbst die amerikanische Mahnung an die Opposition, erst nach der Bildung einer Übergangsregierung in Syrien werde Geld fließen, bewirkte nichts. Die Opposition ist unverändert uneins, und die Oppositionellen im Exil haben nichts mit denen in Syrien zu tun. Und dennoch gibt es Ansatzpunkte, um Einfluss auf das Geschehen in Syrien zu nehmen; einige Länder nutzen sie auch.

          So sind in den befreiten Gebieten im Norden Syriens spontan zivile Verwaltungen entstanden. Damit diese den Nukleus für eine Ordnung in ganz Syrien bilden können, müssen sie dauerhaft funktionieren, und dazu brauchen sie Hilfe, sofort: Dann geben die Menschen die Hoffnung nicht auf. Es sind vor allem französische Helfer, die mit viel Bargeld dafür sorgen, dass Krankenhäuser instand gesetzt werden und dass Bäckereien wieder Brot backen.

          Einen Keil in das Regime treiben

          Zweitens kann die Zeit der Wirren nach dem Abgang Assads verkürzt werden, wenn der Westen Einfluss auf seine Partner Türkei und Qatar nimmt. Deren Regierungen dürfen den Bürgerkrieg nicht länger als Religionskrieg betreiben und Waffen auch an sunnitische Extremisten gelangen lassen. Sie müssen stattdessen Alawiten für eine friedliche Lösung gewinnen und so einen Keil in das Regime treiben. Wer Lehren aus dem Sturz Saddam Husseins zieht, der weiß, dass ein Übergang leichter vollzogen werden kann, wenn der Staatsapparat nicht völlig aufgelöst, sondern ein Teil von ihm übernommen wird.

          Drittens nutzt die richtige Erkenntnis, dass der Konflikt nicht durch mehr Waffenlieferungen für die eine oder andere Seite entschieden wird, nur dann, wenn sich Washington und Moskau für eine politische Lösung einsetzen. Eine militärische Lösung zeichnet sich nicht ab, und eine politische wird erst Erfolg haben, wenn Moskau die Furcht genommen ist, dass Washington über den UN-Sicherheitsrat den Sturz eines missliebigen Regimes betreiben kann. Moskau mag sich dogmatisch gebärden, es ist aber nicht blind für die Gefahren, die von den Dschihadisten Syriens auch für Russland ausgehen.

          Rainer Hermann
          Redakteur in der Politik.

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