Amerikanische Geheimdienste : Al Qaida unterwandert syrische Opposition
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Unter Dauerbeschuss: syrische Protesthochburg Homs Bild: dpa
Amerikanischen Geheimdiensten zufolge unterwandern Al-Qaida-Kämpfer syrische Oppositionsgruppen. Jüngste Anschläge trügen die Handschrift des Terrornetzes. Verteidigungsminister Panetta nannte die Entwicklung „besorgniserregend“.
Nach Erkenntnissen der amerikanischen Geheimdienste werden syrische Oppositionsgruppen zunehmend von Kämpfern des Terrornetzes Al Qaida unterwandert. Wie der Nationale Geheimdienstkoordinator James Clapper bei einer Anhörung vor dem Streitkräfteausschuss des Senats in Washington sagte, trügen jüngste Anschläge wie die Bombenattentate in Aleppo die Handschrift des Terrornetzes. „Wir gehen davon aus, dass Al Qaida aus dem Irak seinen Einfluss nach Syrien ausdehnt“, sagte Clapper. Dies sei ein „beunruhigendes Phänomen“. Die syrischen Widerstandsgruppen seien sich häufig gar nicht bewusst, dass sie von Al Qaida infiltriert würden, sagte Clapper.
Auch Verteidigungsminister Leon Panetta bezeichnete bei einer Pressekonferenz mit Bundesverteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) im Pentagon das Einsickern von Al-Qaida-Kämpfern in Syrien als „besorgniserregend“. Unklar sei aber noch, welche Rolle die Extremisten spielten. Der aus Ägypten stammende und vermutlich im Nordwesten Pakistans versteckte Al-Qaida-Chef Ayman al Zawahiri hatte am Wochenende zur Unterstützung der Revolte in Syrien aufgerufen.
Raketen im Vierminutentakt
Die syrische Armee setzte am Freitag unbeeindruckt von der Verurteilung des Regimes durch die UN-Vollversammlung ihre massiven Angriffe auf die Opposition fort. Nach Angaben von Aktivisten wurde der nunmehr seit gut zwei Wochen andauernde Artilleriebeschuss der Protesthochburg Homs fortgesetzt. Dabei soll es nach angaben von Aktivisten wieder viele Tote gegeben haben. Ein Aktivist sagte dem Sender Al Arabija am Telefon, es handle sich um das schwerste Bombardement der vergangenen 14 Tage. Raketen schlügen im Vierminutentakt ein.
Tote wurden auch aus der Provinz Deir al Zor gemeldet, wo es demnach Gefechte zwischen Soldaten des Regimes und Deserteuren gab. In der Hauptstadt Damaskus hatten am Donnerstag Sicherheitskräfte das im Zentrum gelegene „Zentrum für Medien- und Meinungsfreiheit“ gestürmt, Dabei wurde nach übereinstimmenden Angaben von Menschenrechtlern unter anderen der Direktor des Zentrums Mazen Darwish, dessen Ehefrau sowie der bekannte Blogger Razan Ghazzawi festgenommen.
Russland hielt Resolution für „einseitig“
In der UN-Vollversammlung hatten 137 Staaten für eine Resolution gestimmt, in der die syrische Regierung für die gewaltsame Niederschlagung der Proteste verurteilt und die Arabische Liga für ihre Versuche zur Beilegung der Krise unterstützt wird. Der von Ägypten eingebrachte Entwurf glich weitgehend dem jüngsten Resolutionsentwurf im UN-Sicherheitsrat, der an den Vetos Russlands und Chinas gescheitert war. Beide Länder stimmten auch in der Vollversammlung gegen die Resolution. Dort hat aber kein Staat ein Vetorecht. Allerdings sind Resolutionen der Vollversammlung völkerrechtlich nicht bindend, das Gremium aller 194 UN-Staaten kann keine Zwangsmaßnahmen verhängen.
Moskau hatte abermals Änderungen verlangt, weil es die Resolution nach den Worten ihres UN-Botschafters Tschurkin für „einseitig“ hielt. Moskau forderte, neben dem Regime auch „bewaffnete Gruppen“ für die Gewalt verantwortlich zu machen. Ferner wollte Moskau dem Assad-Regime nicht vorschreiben, sich bei einem politischen Dialog nach den Plänen der Arabischen Liga zu richten. Mit Russland und China stimmten neben Syrien Iran, Nordkorea, Weißrussland, Zimbabwe sowie die Lateinamerikaner Venezuela, Nicaragua, Bolivien, Ecuador und Kuba. 17 Staaten enthielten sich, die restlichen 28 Staaten nahmen an der Abstimmung nicht teil.
Westliche Diplomaten hoffen, die breite Unterstützung werde den „Freunden Syriens“ - vor allem westlichen und arabischen Staaten, die sich am nächsten Freitag in Tunis treffen wollen - Legitimität für Beschlüsse verleihen. Geredet werden dürfte in Tunis über Möglichkeiten, einen „humanitären Korridor“ einzurichten. Die Gruppe könnte nach ihrem Treffen auf eine neue Sicherheitsratsresolution dringen. Es gibt im Westen vorsichtigen Optimismus, dass wenigstens China mit Rücksicht auf seine Beziehungen zu den anderen arabischen Staaten seine Politik ändern könnte.
Reporter in Syrien gestorben
Der erfahrene Auslandsreporter der „New York Times“ Anthony Shadid ist auf dem Rückweg von Syrien in die Türkei an einem Asthmaanfall gestorben. Wie die Zeitung berichtete, erlag der 43 Jahre alte Shadid, der Frau und zwei Kinder hinterlässt, auf einem Bergpfad im syrisch-türkischen Grenzgebiet einem offenbar durch seine Allergie gegen Pferde verursachten heftigen Anfall.
Der Fotograf Tyler Hicks trug den leblosen Körper Shadids zwei Stunden lang bis auf türkischen Boden. Shadid stammte aus dem Libanon und wurde für seine Berichterstattung aus dem Irak 2004 und 2010 mit dem Pulitzerpreis ausgezeichnet. Seit 2011 hatten Shadid und Hicks oft gemeinsam über die Aufstände in der arabischen Welt berichtet, zuletzt ohne Kenntnis des Regimes in Damaskus aus Syrien. (rüb.)