
Boris Johnson tritt zurück : Das große Durcheinander
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Bei der Labour Party gibt es einige Brexiteers, die schon in früheren Abstimmungen mit der Regierung gestimmt haben. Bisher hält Labour-Chef Jeremy Corbyn, der den Brexit leidenschaftslos begleitet, seine Fraktion in der Europa-Frage an der langen Leine. Aber wird das so bleiben, wenn er die Macht hätte, die Premierministerin über den Brexit zu stürzen? Niemand wusste am Montag, ob der „dritte Weg“, mit dem May das Königreich aus der EU führen will, nun politisch begraben ist.
Selbst wenn May an der Macht bliebe, ist er aber nun mit einer Hypothek belastet. Ausgerechnet der Minister, der die Verhandlungsdynamik am besten kennt, hat das Konzept verworfen. Einige seiner Argumente überzeugen nur Ultra-Brexiteers, andere hingegen dürften breiter nachhallen. Sein Haupteinwand bezog sich auf das „rule book“, mit dem die künftige britisch-europäische Freihandelszone für Waren und Agrarprodukte verbunden werden soll.
EU-Kontrolle durch die Hintertür?
Die Formulierung wurde gewählt, um nicht den Eindruck aufkommen zu lassen, als bliebe Britannien im Binnenmarkt, aber de facto bedeutet es die Fortsetzung der britischen Binnenmarkt-Mitgliedschaft für den Güterhandel. Dies, so Davis, zwinge Britannien zur Übernahme von EU-Regeln, über die London nicht mehr mitbestimmen kann. Die Klausel, nach der das britische Parlament die Regeln jederzeit verändern könnte, sieht Davis als Farce.
Denn die Europäische Union wäre in der Lage, notfalls mit dem schon vereinbarten „Backstop“ in Irland zu drohen, der Nordirland de facto zu einem Teil der EU machen und handelspolitisch aus dem Königreich lösen würde. Zugleich hätte in Streitfragen der Europäische Gerichtshof das letzte Wort, dem bald keine britischen Richter mehr angehören. Ein solcher Brexit, kritisierte Davis, würde nicht die versprochene Souveränität des britischen Parlaments und der Justiz ermöglichen.
Davis kritisiert Verhandlungstaktik
Davis stellte zugleich die gesamte Verhandlungstaktik Britanniens in Frage. May habe sich den Verlauf der Gespräche – gegen sein Anraten – diktieren lassen, etwa in der Strukturierung der Verhandlungen, und habe sich zudem in der irischen Grenzfrage falsch positioniert.
Im Laufe der Zeit sei das Königreich den Vorstellungen der EU immer stärker entgegengekommen, die darauf „mit immer neuen Forderungen nach Zugeständnissen“ reagiere. Dieser Ansatz überzeuge ihn nicht mehr, schrieb Davis in seiner Rücktrittserklärung, und sagte voraus, dass die „Generalrichtung dieser Politik uns bestenfalls in eine schwache Position führen wird und möglicherweise in eine ausweglose“.
Bedauern über Rücktritt auf dem Papier
May akzeptierte seinen Rücktritt mit einem Brief, der doppelt so lang war wie Davis’ Schreiben. Darin widersprach sie seiner „Charakterisierung der Politik, auf die wir uns am Freitag in Chequers geeinigt haben“. Sie bestand darauf, dass ihr Brexit-Plan „Macht von Brüssel ins Vereinigte Königreich zurückholt“ und alle Versprechungen einlöse, die sie in den zurückliegenden Grundsatzreden und im Wahlprogramm gemacht habe.
Zum Schluss bedauerte sie, dass die Regierung nun nicht mehr von seiner Expertise und seinem Rat profitieren könne, und unterzeichnete mit „Yours sincerely, Theresa May“.