Konflikt verschärft sich : In der Sahara droht Krieg
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Ein Foto, das die marokkanische Armee ausgegeben hat, soll Mitglieder der „Befreiungsfront Polisario“ nahe der mauretanischen Grenze in Guerguerat zeigen Bild: AFP
Die Befreiungsfront Polisario beendet nach fast 30 Jahren die Waffenruhe mit Marokko – und mobilisiert ihre Kämpfer. Der Westen der Sahara steht kurz vor einer militärischen Eskalation.
Nach der militärischen Eskalation in Äthiopien droht im Westen der Sahara ein Krieg auszubrechen. Nach 29 Jahren hat die Befreiungsfront Polisario die Waffenruhe mit Marokko für beendet erklärt. „Tausende Freiwillige“ seien für den Kampf mobilisiert worden, der schon begonnen habe. Laut Polisario gab es bei Angriffen auf marokkanische Stellungen mehrere Tote. Dafür war jedoch bisher keine unabhängige Bestätigung zu erhalten. Die Regierung in Rabat sprach nur von „Provokationen“ durch Polisario. UN-Generalsekretär Antonio Guterres äußerte sich dennoch „zutiefst besorgt angesichts der möglichen Konsequenzen“ der jüngsten Entwicklung.
Die Westsahara war bis 1975 spanische Kolonie und wurde dann größtenteils von Marokko besetzt und annektiert. Zuletzt hatte der ehemalige Bundespräsident Horst Köhler als UN-Sonderbeauftragter bis 2019 versucht, zwischen den Konfliktparteien zu vermitteln. Von der Küste der Westsahara brechen immer mehr Boote mit Migranten aus Marokko und Westafrika auf die spanischen Kanaren auf.
Auslöser der neuen Konfrontation war eine Straßenblockade unweit der Grenze zu Mauretanien. Polisario-Unterstützer hatten Marokkos wichtigste Landverbindung ins Nachbarland und in das restliche Afrika seit Ende Oktober unweit des Grenzübergangs bei Guerguerat unterbrochen. Sie wollten damit gegen die Tatenlosigkeit der internationalen Gemeinschaft protestieren, die vor Jahrzehnten ein Referendum über die politische Zukunft der einstigen spanischen Kolonie versprochen hatte.
Am 30. Oktober verlängerte der UN-Sicherheitsrat das Mandat der Westsahara-Mission Minurso. Zum ersten Mal erwähnte der Text nicht mehr die Volksabstimmung. Schon damals drohte Polisario damit, „den Kampf zu intensivieren“. Mit einer Militäraktion in der Pufferzone zwischen den beiden Konfliktparteien hatte Marokko die Straße am Freitag geräumt und nach eigenen Angaben wieder für den Verkehr freigegeben. Daraufhin kündigte Polisario die seit 1991 geltende Waffenruhe auf.
Ursprünglich sollten die Einwohner des einzigen afrikanischen Gebiets, das nach Ansicht der UN noch nicht entkolonialisiert ist, schon 1992 abstimmen. Zu diesem Zweck richteten die UN die Minurso-Mission ein, die den Waffenstillstand zwischen Marokko und Polisario überwachen und eine Volksabstimmung über den Status der Westsahara organisieren sollte. Marokko kontrolliert seit dem Rückzug Spaniens rund 80 Prozent der Westsahara, in der etwa eine halbe Million Menschen wohnen. Aus marokkanischer Sicht handelt es sich bei diesem phosphat- und fischreichen Landstrich an der Atlantikküste um die „südlichen Provinzen“, die zum Königreich gehören und durch einen 2700 Kilometer langen Sandwall vom Rest der Westsahara abgetrennt sind.
Kein eigenes Staatsgebiet
Der sich verschärfende Konflikt könnte auch die schwierigen Beziehungen Marokkos zu Algerien belasten. Denn die Regierung des Nachbarlands Algerien unterstützt Polisario. In der algerischen Sahara leben in Lagern bei Tindouf seit Jahrzehnten bis zu 170.000 Flüchtlinge aus der Westsahara. Sie waren Ende 1975 vor den Kämpfen in der Westsahara in diese unwirtliche Wüstengegend geflohen. Dort hat auch die von Polisario geführte Westsahara-Republik ihren Sitz, die jedoch über kein eigenes Staatsgebiet verfügt.
Nach den gescheiterten Verhandlungen verlor Polisario weiter an internationaler Unterstützung. Das ließ auch in den eigenen Reihen den politischen Druck auf die Führung wachsen, aktiver zu werden. Im Oktober eröffneten die Vereinigten Arabischen Emirate ein Konsulat in dem vom Marokko kontrollierten Teil der Westsahara und erkannten damit dessen politischen Anspruch an. Mehr als ein Dutzend afrikanische Staaten unterhalten in Laayoune mittlerweile diplomatische Vertretungen.