Nach der Krim-Annexion : Angst ist ein schreckliches Gefühl
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Krimtataren im März auf einem Friedhof in Simferopol Bild: Picture-Alliance
Moskau gibt vor, Minderheiten auf der Krim zu schützen. Doch die Krimtataren werden gegängelt, Kritiker werden überwacht. Tausende sind seit der russischen Landnahme geflohen. Einige kämpfen sogar in der Ost-Ukraine.
Ein Spätsommermorgen auf der Krim. Trockenes Land säumt die Straße von Simferopol nach Bachtschissaraj. Wenige Bäume, halbfertige Häuser. Aus dem wackeligen Bus fällt der Blick auf eine Gruppe am Straßenrand. Ein junger Mann hält eine junge Frau fest in den Armen. Die Augen geschlossen. Daneben steht eine ältere Frau, deren Blick sagt: Vielleicht sehe ich ihn nie wieder. In der Nähe warten drei Männer in Flecktarn an einem alten Lada. Ein Bild des Abschieds aus einem Krieg, der keiner sein soll. Einige Kilometer weiter, am Ortseingang von Bachtschissaraj, blicken führende Politiker der Krim von einem Plakat der Kremlpartei Einiges Russland. „Sie haben den Frieden bewahrt“ steht da, dann der Appell: „Garantieren wir die Stabilität.“ Auch auf der Krim werden am Sonntag russische Regionalwahlen abgehalten. Davor wird den Bewohnern der Halbinsel versichert, was ohne Russlands Eingreifen angeblich auch hier passiert wäre: Tod und Verderben statt Rückkehr zu alter Größe.

Politischer Korrespondent für Russland und die GUS in Moskau.
Die scheinoppositionelle Kommunistische Partei verteilt ihre „Prawda“, eine Illustration zeigt ihren Führer als Ritter, der „Neurussland“ gegen einen Drachen verteidigt, der auf dem Gebiet einer mit amerikanischen Sternen und Streifen ausgemalten Restukraine faucht. „Unterstützen wir den Donbass zusammen!“ steht da, „Antifaschisten aller Länder, vereinigt euch!“ Widerstand dagegen, sich hinter der Führung in Moskau und ihren Statthaltern auf der Krim zu sammeln, wird nicht geduldet. Das trifft diejenigen, die den neuen Machthabern als Unruhestifter gelten: die Krimtataren und jene, die für die Sache der Ukraine Partei ergriffen haben.
Feindbild Krim-Tartaren
Ankunft am Busbahnhof von Bachtschissaraj, der alten Hauptstadt der Krimtataren. Sie wurden 1944 unter Stalin von der Krim deportiert und durften erst ab 1988 zurückkehren. Heute stellen die Tataren rund 280.000 der zwei Millionen Krim-Bewohner. Hier, in Bachtschissaraj, ist ihre Hochburg. Doch auch hier sind sie machtlos. Die Kaserne auf dem Hügel über der Altstadt, wo bis ins Frühjahr ukrainische Soldaten stationiert waren, haben nun Russen bezogen. In das Gebäude gegenüber der Moschee an der Leninstraße ist der russische Geheimdienst FSB eingezogen. Vorher saß dort der ukrainische SBU.
Die Beamten seien dieselben geblieben, sagt Ilmi Umerow. Der kräftige Mann Ende 50 sitzt in einem Café zwischen dem FSB-Gebäude und dem prächtigen Khan-Palast. Für ihn, den Krim-Tataren, sind die Überläufer „Kollaborateure“, „Verräter“ ohne Ehre. „Früher haben sie ihre Informationen über uns nach Kiew geschickt. Jetzt schicken sie sie nach Moskau.“ Bis vor kurzem leitete Umerow die Verwaltung von Bachtschissaraj. Er wurde in der usbekischen Verbannung geboren. 1988, sobald es ging, zog er in die Heimat seiner Vorfahren. Seinen Beruf als Gynäkologe konnte er hier nicht ausüben: Man habe einem Krim-Tataren keine Stelle im Krankenhaus geben wollen, erzählt er. Unterhalb des Cafés fahren einige olivgrüne Geländewagen über die Leninstraße. Links eine Russland-Fahne, rechts eine von Einiges Russland. Umerow blickt den Wagen bekümmert nach.