Nach Bin Ladins Tod : Trieb Islamabad ein doppeltes Spiel?
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Das Anwesen in Abbotabad: Wie konte Usama Bin Ladin hier so lange unentdeckt leben? Bild: dpa
Die Welt stellt Fragen an Pakistan: Was wussten Regierung, Militär und Geheimdienst über den Aufenthaltsort des Al-Qaida-Führers und seit wann wussten sie es? Der pakistanische Präsident Zardari weist Vorwürfe zurück, sein Land habe Bin Ladin Unterschlupf gewährt.
Nach dem Tod des Al-Qaida-Führers Usama Bin Ladin wächst der Druck auf Pakistan. Was wussten die pakistanischen Geheimdienste über den Aufenthaltsort des meistgesuchten Terroristen der Welt und wann wussten sie es? Wie konnte Bin Ladin seit Jahren unbemerkt in noblen Anwesen in Abbottabad leben, rund hundert Kilometer nördlich der Hauptstadt Islamabad, ausgerechnet nahe der pakistanischen Militärakademie? Antworten forderten am Dienstag unter anderen der britische Premierminister David Cameron und ranghohe Mitglieder des amerikanischen Kongresses.
Zardari weist Vorwürfe zurück
Der pakistanische Präsident Asif Ali Zardari wies Vorwürfe zurück, sein Land habe Bin Ladin Unterschlupf gewährt. In einem Beitrag für die Zeitung „Washington Post“ schreibt Zardari, Spekulationen, wonach Pakistan bei der Terrorbekämpfung nicht entschlossen vorgegangen sei oder den Terroristen sogar Schutz geboten habe, entbehrten jeder Grundlage. „Solch unbegründete Spekulation mag Stoff für spannende Botschaftsdepeschen liefern, gibt aber nicht die Tatsachen wieder“, schrieb Zardari in der ersten offiziellen Stellungnahme des Landes zu den Mutmaßungen.
Der Einsatz gegen Bin Ladin sei zwar „keine gemeinsame Aktion“ gewesen, doch habe die Identifizierung eines Al-Qaida-Kuriers durch pakistanische Dienste den Einsatz erst möglich gemacht.
Im amerikanischen Kongress hegen Republikaner wie Demokraten aber ernste Zweifel. Sie fragten, wie es möglich gewesen sein könne, dass Bin Ladin sich unter den Augen der pakistanischen Streitkräfte und des Geheimdienstes in der Stadt Abbottabad einrichten konnte. Diese Frage könnte für Pakistan Konsequenzen haben, denn die Abgeordneten diskutierten die Möglichkeit, die milliardenschwere Finanzhilfe an Pakistan an strengere Bedingungen zu knüpfen.
„Ich glaube, dies zeigt wieder einmal, dass Pakistan leider ein doppeltes Spiel spielt“, sagte die republikanische Senatorin Susan Collins, Mitglied des Militärausschusses des Senats. Sie deutete an, die Finanzhilfe für Pakistan könne gekürzt werden.
Die amerikanische Außenministerin Hillary Rodham Clinton dankte dagegen Pakistan öffentlich für seine Kooperation und erklärte, die Land habe die Bemühungen im Kampf gegen die Al Qaida unterstützt und auch dabei geholfen, Bin Ladin zu finden.
Der Anti-Terror-Berater des Weißen Hauses, John Brennan, hatte allerdings am Montag erklärt, es sei „unvorstellbar“, dass sich Bin Ladin ohne Hilfe längere Zeit in Pakistan habe verstecken können Die amerikanische Regierung untersuche, ob und wie Bin Ladin in Pakistan Verbindungen geknüpft habe, die es ihm erlaubt hätten, im Land zu bleiben. Womöglich habe er über „irgendeine Form eines Unterstützersystems in Pakistan“ verfügt.
Angesichts der Lage des Verstecks in Abbottabad und der Nähe zu einer Militärakademie sagte der Vorsitzende des Militärausschusses im Senat, Carl Levin, Pakistan habe viel zu erklären. „Es ist schwer vorstellbar, dass die Streitkräfte oder die Polizei keine Ahnung hatten, was im Inneren (des Verstecks) vor sich ging“, sagte er.
Gespannte Beziehungen
Der Vorsitzende des Außenausschusses im Senat, John Kerry, erklärte, es gebe Gesprächsbedarf mit Pakistan. Allerdings dürfe dabei nicht vergessen werden, dass es auch Unterstützung von Pakistanern gegeben habe. Der republikanische Senator John McCain, der Mitglied des Ausschusses ist, warnte davor, Pakistan zurückzuweisen. „Es gab eine Zeit, da hatten wir nichts mit den Pakistanern zu tun und das war nicht produktiv“, erklärte er.
Die pakistanischen Atomwaffen könnte eine direkte Bedrohung für die Vereinigten Staaten darstellen, wenn sie in die falschen Hände fielen. Pakistan ist für die Vereinigten Staaten kein einfacher Verbündeter. Die Beziehungen sind gespannt, zudem wurden Informationen möglicherweise nicht weitergereicht. Was Regierungsmitarbeiter in Islamabad und die Militärführung über Bin Ladin wussten, könnte sich stark von dem unterscheiden, was die Stämme und Familien in der Region über das Haus in Abbottabad wussten - oder auch bereit waren zu sagen.
London will keine Auseinandersetzung
Großbritannien verlangte ebenfalls Antworten von Pakistan. Der britische Premier David Cameron sagte dem Rundfunksender BBC, die Fragen nach dem Unterstützungssystem Bin Ladins müssten beantwortet werden. Zugleich warnte er, ein Bruch der Beziehungen zu Pakistan würde nur zu weiterer Instabilität in der Region führen. Man müsse mit Pakistan zusammenarbeiten, um den Terrorismus und Extremismus zu bekämpfen und die Entwicklung im Land voranzubringen.
Die chinesische Regierung nahm dagegen Pakistan in Schutz. Das Außenministerium erklärte, China zweifle nicht an der Entschlossenheit Pakistans, den Terrorismus zu bekämpfen. Islamabad handele effektiv und habe einen wichtigen Beitrag geleistet.
Zweifel auch unter den Pakistanern
Dass Islamabad nichts von dem Aufenthaltsort Bin Ladins gewusst haben will, wurde auch in pakistanischen Medien und auf den Straßen diskutiert: „Entweder war es ein Komplettversagen unserer Geheimdienste oder sie steckten in der Sache mit drin“, sagte ein Bewohner von Abbottabad.
Der pakistanische Präsident Zardari betonte dagegen, dass ein Jahrzehnt der Kooperation und Partnerschaft zwischen den Vereinigten Staaten und Pakistan zu der Eliminierung bin Ladens als eine konstante Bedrohung für die zivilisierte Welt geführt habe. Der amerikanische Präsident Barack Obama sagte zwar, dass die pakistanische Anti-Terror-Einheit im Vorfeld der Operation geholfen habe, dankte Pakistan aber mit keinem Wort, als er den Tod Bin Ladins verkündete.