Gasstreit im Mittelmeer : Die Türkei hat die Wahl
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Flagge zeigen: Griechische und verbündete Kriegsschiffe im Mittelmeer Bild: AP
Griechenland will die Territorialkonflikte mit der Türkei im Mittelmeer durch Dialog lösen. Aber nicht mit vorgehaltener Waffe. Ein Gastbeitrag des griechischen Ministerpräsidenten.
Wenn sie die Zukunft vorhersagen sollen, orientieren sich Politikwissenschaftler oft an der Vergangenheit, an unserer gemeinsamen Geschichte. Die Beziehungen zwischen meinem Heimatland Griechenland und seinem Nachbarn, der Türkei, sind da keine Ausnahme. Wie die Geschichte uns lehrt, gibt es Anlass für Optimismus, aber auch Bereiche, die große Sorge bereiten. Und nie war die Frage, was die Zukunft bringt – Konflikt oder Kooperation –, so drängend wie heute.
Als ich im Juli vorigen Jahres Ministerpräsident wurde, war ich vorsichtig optimistisch. Ich hatte keinen Grund, daran zu zweifeln, dass Griechenland und die Türkei Freunde sein können. Schließlich war es vielen meiner Vorgänger gelungen, scheinbar unüberwindliche Hindernisse zu beseitigen. Politische Führer wie mein Großonkel Eleftherios Venizelos, der 1930 einen Friedens- und Freundschaftsvertrag mit Kemal Atatürk unterzeichnet hatte. Natürlich gab es seitdem Spannungen, aber die guten Tage haben die schlechten überwogen.
Als wir uns letzten Herbst trafen, sagte ich Präsident Erdogan, dass wir als geographische Nachbarn zur Koexistenz, zum friedlichen Nebeneinander bestimmt sind. Ich wollte ihm ganz ausdrücklich die Hand zur Freundschaft und Zusammenarbeit reichen. Ich sprach von offenem Dialog, einem Wunsch nach Fortschritt und meiner Bereitschaft, innerhalb Europas als Brückenbauer für die Türkei zu wirken.
Mehr Provokateur als Partner
Leider haben sich die Dinge anders entwickelt. Seit diesem ersten Treffen wirkte die Türkei weniger wie ein Partner und mehr wie ein Provokateur. Ende vergangenen Jahres unterzeichnete Präsident Erdogan ein illegales Seerechtsabkommen mit einer der Parteien, die sich im blutigen Bürgerkrieg in Libyen bekämpfen. Da die Türkei und Libyen keine gegenüberliegenden oder angrenzenden Küsten besitzen und das Abkommen die souveränen Rechte von Drittländern verletzt, wurde es von der Mehrheit der internationalen Gemeinschaft und von Rechtsexperten für null und nichtig und als Verletzung der Souveränitätsrechte von Drittstaaten, einschließlich Griechenlands, erklärt.
Im März ermutigte und unterstützte die Türkei in einem abgestimmten Vorgehen die verzweifelten Versuche von Migranten, nach Griechenland zu gelangen. Wir verteidigten unsere Grenze mit Unterstützung unserer EU-Partner. Unsere gemeinsame Botschaft war klar: Die Grenzen Griechenlands sind die Grenzen Europas, und wir werden sie schützen.
Und diesen Sommer schickte Präsident Erdogan als Reaktion auf die Unterzeichnung eines langfristigen, legalen und international anerkannten Seerechtsabkommens zwischen Griechenland und Ägypten seine Marine, um die Suche nach Gasvorkommen in einem noch keinem Land zugeschlagenen Gebiet im östlichen Mittelmeer abzusichern, das sowohl Griechenland als auch die Türkei beanspruchen und das noch immer nicht abgegrenzt ist. Nach dem UN-Seerechtsübereinkommen war dies ein einseitiger Akt, der gegen das Völkerrecht verstößt.
Jeden Tag unberechtigte Ansprüche
Trotz dieser Provokationen hatte Griechenland nie den Wunsch, die Spannung weiter zu verschärfen, und will dies auch heute nicht. Aber was als hässliches politisches Gehabe begonnen hat, ist in den letzten Wochen eindeutig zu einer echten Bedrohung geworden. Inzwischen vergeht kein Tag, an dem die türkische Regierung nicht unberechtigte Ansprüche geltend macht oder Unwahrheiten verbreitet. Kriegslüsterne Sprache, nationalistische Propaganda, aggressiver Militarismus, der Kauf von Waffensystemen aus Russland, die die Nato bedrohen, die Umwidmung von als Welterbe geschützten Kulturdenkmälern in Moscheen, illegale Aktivitäten auf dem Meer und Kriegsdrohungen.
Die Rhetorik der Türkei entstammt lang vergangenen Zeiten. Sie spricht von Feinden, Märtyrern, Kampf und der Bereitschaft, um jeden Preis zu siegen. Dies ist die Sprache und das Verhalten eines Beitrittskandidaten, der mit Griechenland und Zypern nicht nur zwei Mitglieder der Europäischen Union bedroht, sondern die EU selbst. Dies bereitet den Mitgliedstaaten große Sorgen.