Minsker Vereinbarung : Das nie befolgte Abkommen
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Pro-russische Separatisten posieren an einem zerstörten Panzer der ukrainischen Armee nahe der Stadt Debalzewe Bild: AFP
Die Kriegswirklichkeit in der Ostukraine hat die wesentlichen Punkte der Vereinbarungen von Minsk bisher ad absurdum geführt. Die Separatisten fühlten sich daran nie gebunden. Nun soll das Abkommen beim Vierer-Gipfel am Mittwoch Grundlage einer Friedenslösung sein. Kann das gelingen?
Grundlage der geplanten Gespräche über eine Friedenslösung für die Ukraine sollen die Minsker Vereinbarungen vom September vergangenen Jahres sein. Das hat die Bundeskanzlerin in den vergangenen Tagen bekräftigt. Offiziell bekennt sich auch Russland noch zu diesen Abkommen über einen Waffenstillstand, die nach einem Treffen der Präsidenten Wladimir Putin und Petro Poroschenko Ende August 2014 in Minsk unter Vermittlung der OSZE ausgehandelt wurden.
Es handelt sich dabei um zwei Dokumente, über deren Auslegung und Verwirklichung praktisch vom ersten Tag an gestritten wurde: Das „Protokoll“ über die Gespräche der sogenannten Trilateralen Kontaktgruppe vom 5. September 2014 und das „Memorandum“ über die Umsetzung der Vereinbarungen, das am 19. September unterzeichnet wurde.
Punkt eins des Protokolls ist eine „sofortige und beiderseitige Einstellung der Waffenanwendung“, die durch die OSZE überwacht werden sollte. Die OSZE sollte zudem die russisch-ukrainische Grenze überwachen, an der eine „Sicherheitszone“ vorgesehen war. Im weiteren enthält das Protokoll mehrere humanitäre Punkte wie einen Gefangenenaustausch sowie politische Vereinbarungen. Die wichtigsten davon waren ein von der Ukraine zu beschließendes Gesetz über einen Sonderstatus für die von den Separatisten beherrschten Gebieten sowie Wahlen in diesen Gebieten, die in Übereinstimmung mit den ukrainischen Gesetzen stattfinden sollten.
Nur ein einziger Punkt vollständig verwirklicht
Die wichtigsten Punkte des Memorandums sind die Festlegung des Frontverlaufs am 19. September als Waffenstillstandslinie, ein Verbot aller offensiven Operationen sowie das sofortige Zurückziehen schwerer Waffen auf mehr als 15 Kilometer Entfernung von der Frontlinie. Dadurch sollte eine 30 Kilometer breite Pufferzone entstehen. Für die ukrainische Seite besondere Bedeutung hat zudem Punkt neun des Memorandums, in dem indirekt die Anwesenheit russischer Kämpfer im Donbass zugegeben wird: „Abzug aller ausländischen bewaffneten Formationen, Kriegstechnik sowie Kämpfer und Söldner vom Gebiet der Ukraine“.
Krisengipfel in Minsk : Fronten zwischen Russland und Westen verhärtet
Nur ein einziger Punkt aus den Minsker Vereinbarungen ist vollständig verwirklicht worden: Das Gesetz über den Sonderstatus für die Separatistengebiete wurde vom ukrainischen Parlament noch vor der Unterzeichnung des Memorandums mit knapper Mehrheit beschlossen - Präsident Poroschenko setzte es gegen massiven Widerstand aus dem eigenen Lager durch.
Praktische Bedeutung hat es jedoch nie erlangt, weil die Separatisten erklärten, ein Sonderstatus innerhalb der Ukraine komme für sie nicht in Frage, sie könnten mit Kiew nur über die Anerkennung ihrer Unabhängigkeit reden. Die beiden „Volksrepubliken“ Luhansk und Donezk organisierten darauf am 2. November Präsidenten- und Parlamentswahlen - in klarem Widerspruch zu dem Punkt des Minsker Protokolls, der Wahlen nach ukrainischen Gesetzen vorsieht.
Frontverlauf nie eindeutig geklärt
Die Bestimmungen der Waffenruhe wurden nie eingehalten. Beide Seiten haben regelmäßig Stellungen der Gegner unter Feuer genommen. Auch das Verbot offensiver Aktionen ist offensichtlich missachtet worden: Die Separatisten haben in der Phase relativer Ruhe zwischen September und der neuerlichen Eskalation im Januar - was von keiner Seite bestritten wird - mehrere hundert Quadratkilometer eingenommen. Weder Ukrainer noch Separatisten haben ihre schweren Waffen 15 Kilometer von der Front zurückgezogen. Deren Verlauf freilich war nie vollständig und einvernehmlich geklärt.