Migration über das Mittelmeer : EU will stärker gegen Schleuser vorgehen
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Flüchtlinge sitzen auf dem Mittelmeer in einem sinkenden Schlauchboot. Die EU will gegen Schleuser vorgehen. Bild: dpa
Für kriminelle Gruppen ist die irreguläre Migration ein Riesengeschäft. Die EU-Kommission setzt auf eine engere Partnerschaft mit Nordafrika – und investiert viel Geld in den Grenzschutz.
Die Europäische Union will mit fünf nordafrikanischen Staaten enger zusammenarbeiten, um die irreguläre Migration einzudämmen. „Wir werden unsere Arbeit gegen Schleuser ausbauen durch Ausbildung und gemeinsame Untersuchungsteams“, kündigte die EU-Innenkommissarin Ylva Johansson nach einer Videokonferenz an. Man werde auch gegen Desinformationskampagnen krimineller Gruppen in sozialen Medien vorgehen.
An der Konferenz, die auf Initiative der italienischen Innenministerin Luciana Lamorgese zustande kam, nahmen Marokko, Algerien, Tunesien, Libyen und Mauretanien teil – alles Staaten, von denen aus Migranten über das Mittelmeer oder die kanarischen Inseln versuchen, Europa zu erreichen. Von europäischer Seite waren außerdem die Innenminister aus Deutschland, Spanien, Frankreich und Malta beteiligt. Johansson sagte, sie wolle nun in bilateralen Kontakten ausloten, wie die Zusammenarbeit verbessert werden könne, gerade mit Europol und der Grenzschutzbehörde Frontex.
Die Initiative ist schon Teil des Pakts für Asyl und Migration, den die Innenkommissarin für September avisiert hat. Die verstärkte Zusammenarbeit mit Drittstaaten sei essentiell, sagte sie. Kriminelle Netzwerke hätten nach Schätzungen von Frontex allein auf der westlichen und der zentralen Mittelmeerroute in den vergangenen drei Jahren 330 Millionen Euro mit Schleuserei verdient. Es gebe aber auch Erfolge. Allein im vergangenen Jahr seien sechzig Prozent der Menschen, die mit Booten nach Europa kommen wollten, daran gehindert worden. In aller Regel geschieht dies durch die Küstenwachen Marokkos und Libyens. Marokko allein habe 70.000 Menschen von der Überfahrt abgehalten, sagte Johansson. Algerien habe hundert kriminelle Netzwerke zerschlagen.
Flüchtlingsrouten verschieben sich
Die EU stellt schon jetzt viel Geld für die Zusammenarbeit mit Nordafrika zur Verfügung; im Rahmen des Treuhandfonds für Afrika sind es 870 Millionen Euro, ein Drittel davon fließt in das Grenzmanagement. Am umfangreichsten sind die Programme mit Marokko, dem 342 Millionen Euro zugesagt wurden, und Libyen (155 Millionen Euro). Für Tunesien sind 85 Millionen Euro vorgesehen.
Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) hatte vorige Woche nach dem Rat aller EU-Innenminister darauf verwiesen, dass sich momentan Fluchtrouten änderten, „mehr hin zu Tunesien und deshalb müssen wir neben Libyen auch Tunesien und Algerien im Blick haben“, um Abfahrten von dort zu verhindern.
Nach Angaben des UN-Flüchtlingshilfswerks gab es zwischen Januar und Mai viermal mehr illegale Abfahrten von Tunesien nach Europa als im selben Zeitraum des Vorjahres. Vor allem Westafrikaner wählten diese Route, an zweiter Stelle kamen Tunesier. Ein Teil der Migration verlagert sich offenbar von Libyen in die benachbarte Region Tunesiens.
Wie Frontex am Montag mitteilte, hat sich die irreguläre Migration über die zentrale Mittelmeerroute – also vor allem von Libyen und Tunesien aus – in der ersten Hälfte dieses Jahres im Vergleich zum Vorjahreszeitraum fast verdoppelt, während sich die Zahlen auf der westlichen und östlichen Route in etwa halbierten. Insgesamt wurden in den ersten sechs Monaten 36.400 illegale Grenzübertritte gezählt, ein Fünftel weniger als im selben Zeitraum 2019.