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Absturz über der Ukraine : Minutiös rekonstruiert

  • -Aktualisiert am

Das internationale Ermittlerteam zum Abschuss von MH17 stellt seine Ergebnisse vor. Bild: AFP

Die Ermittler haben 1400 Wrackteile untersucht, Milliarden Internetseiten gesichtet und tausende abgehörte Telefonate ausgewertet. Ihr Ergebnis belastet Moskau.

          3 Min.

          Fred Westerbeke macht es zunächst spannend. „Wir können und wollen noch nicht alles erzählen“, sagt der leitende Mitarbeiter der obersten niederländischen Staatsanwaltschaft, als er die vorläufigen Erkenntnisse des internationalen Ermittlungsteams (JIT) zur Klärung der Umstände des Abschusses der malaysischen Boeing 777 mit der Flugnummer MH17 über der östlichen Ukraine erläutert.

          298 Passagiere und Besatzungsmitglieder waren ums Leben gekommen, als das in Amsterdam gestartete Flugzeug am Nachmittag des 17. Juli 2014 in von separatistischen Rebellen kontrollierten Gebiet abgeschossen wurde.

          „Handfeste Belege“

          Dann kommt Westerbeke, der in Begleitung des leitenden polizeilichen Ermittlers Wilbert Paulissen und an den Untersuchungen beteiligter Vertreter aus Australien, Malaysia, Belgien sowie der Ukraine die Erkenntnisse erläutert, zur Sache: „MH17 ist durch eine Bodenluftrakete abgeschossen worden.“

          Es gebe handfeste Belege dafür, dass das Raketensystem Buk 9 M 38 Stunden vor dem Abschuss aus Russland über die Grenze in die Ostukraine gebracht worden und tags darauf – mit einer von insgesamt vier Raketen weniger – wieder zurückgekehrt sei.

          Dass mit der jetzt genommenen Zuweisung der Verantwortung für den Abschuss die Ermittlungen noch keineswegs abgeschlossen seien, geben Westerbeke und Paulissen freimütig zu. Wer genau an der Operation beteiligt, dafür verantwortlich sei und vor Gericht gestellt werden müsse, sei jetzt noch zu klären. Rund hundert Personen, die mutmaßlich eine Rolle gespielt hätten, seien identifiziert worden.

          Von einigen hätten die Ermittler eine genaue Vorstellung, welche Rolle und Position sie hatten. „Wir können aber erst mit Sicherheit sagen, ob mit Vorsatz gehandelt wurde, wenn wir mit den Hauptverdächtigen oder andere Zeugen gesprochen haben“, erläutert Westerbeke. Er ruft „Insiderzeugen“ auf, sich zu melden. Dann verweist er auf strafmildernde Umstände, die das ukrainische Recht in solchen Fällen vorsehe.

          Immerhin ist, wie der Vertreter der Staatsanwaltschaft weiter berichtet, das eigentlich in Kürze auslaufende Mandat des internationalen Ermittlungsteams bis Anfang 2018 verlängert worden.

          Die bis zu 200 JIT-Ermittler haben für ihren aktuellen Bericht seit 2014 mehr als 14.000 Wrackteile des malaysischen Flugzeugs untersucht, fünf Milliarden Internetseiten sowie über eine halbe Million Foto- und Bildaufnahmen gesichtet. Rund 150.000 aufgezeichnete Telefongespräche wurden abgehört, davon gut 3500 minutiös ausgewertet.

          Das Ergebnis präsentieren Westerbeke und Paulissen mit Hilfe von originalen Ton- und Bildaufnahmen sowie Schaubildern. Aufnahmen, Zeugenaussagen, aber nicht zuletzt nützliche Hinweise amerikanischer Stellen und der Europäischen Weltraumorganisation ESA brachten die Ermittler offenbar zu dem Schluss, dass das Flugzeug von einem durch die Separatisten kontrollierten Ort aus abgeschossen worden sein müsse.

          Der Fund von Metallteilen eines Buk-Sprengkopfes sowie insbesondere zweifelsfrei zur Boeing 777 gehörende und in den Leichen von Besatzungsmitgliedern entdeckte Glassplitter der Cockpitscheibe hätten die Gewissheit erbracht, dass es sich um einen Abschuss gehandelt haben müsse, erläutern die niederländischen Ermittler.

          Im Mittelpunkt der Beweisführung steht jener „Buk-Telar“ – ein mit der Abschussrampe versehenes neun Meter langes und 32 Tonnen schweres Gefährt. „Aus allen Telekomdaten und aufgenommenen Telefongesprächen, die durch das JIT-Ermittlungsteam untersucht worden sind, ergibt sich, dass der Buk-Telar von der Russischen Föderation aus in die Ukraine hineingebracht worden ist“, sagt Chefermittler Westerbeke.

          Aus einem Telefongespräch um kurz nach neun Uhr am 17. Juli 2014, aus dem er Auszüge abspielen lässt, ist zu schließen, dass eine Buk-Vorrichtung und nicht zwei, wie von einem der Gesprächspartner wohl erwartet, zuvor in die östliche Ukraine transportiert worden sein müssen.

          „Eine heftige Explosion“

          Gegen elf Uhr sei der aus einem von einer weißen Volvo-Zugmaschine mit roten Tieflader samt Buk-Telar und zwei weiteren Militärfahrzeugen mit bewaffneten Insassen bestehende Konvoi von Zeugen gesehen und auch gefilmt worden. Gegen Mittag sei dann beobachtet worden, wie das Kettenfahrzeug mit der Abschussrampe in der weiter östlich gelegenen Ortschaft Snischne entladen worden sei und seine Fahrt eigenständig fortgesetzt habe.

          Schließlich sei es auf einem 21 Kilometer südöstlich von der Absturzstelle der MH17 auf einem Acker unweit des ebenfalls von den ostukrainischen Separatisten gehaltenen Orts Pjerwomajsk abgestellt worden.

          Auch der Abschuss der Rakete sei beobachtet worden. „Die Zeugen sprechen von enormen Lärm, einer heftigen Explosion und einem hohen Pfeifton,“ berichtet Westerbeke. Die Zeugen hätten auch die bei einem Abfeuern der Rakete charakteristischen weißen Rauch sowie die Buk-Abschussrampe gesehen.

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