Mehr als 30 Tote bei Unruhen : Ägyptische Regierung erklärt Rücktritt
- Aktualisiert am
Am Sonntag am Tahrir-Platz Bild: REUTERS
Wegen neuerlicher Unruhen auf dem Tahrir-Platz in Kairo, die seit Sonntag mehr als 30 Menschen das Leben gekostet haben, hat das ägyptische Kabinett am Montag gegenüber dem Obersten Militärrat seinen Rücktritt erklärt.
Angesichts der jüngsten Protestwelle in Ägypten hat das Kabinett gegenüber dem regierenden Militärrat seinen Rücktritt erklärt. Das berichtete das ägyptische Staatsfernsehen am Montag. Die Entscheidung sei „angesichts der schwierigen Umstände, in denen sich das Land derzeit befindet“, getroffen worden, sagte Regierungssprecher Mohammed Hidschasi. Die Regierung unter Essam Scharaf werde solange ihre Aufgaben erfüllen, bis der Militärrat über den Rücktritt entschieden habe, sagte Hidschasi weiter.
Der im März angetretene Scharaf war anfangs sehr beliebt bei den pro-demokratischen Kräften seines Landes. Im Laufe der Monate wuchs jedoch die Enttäuschung, weil sich die Regierung gegenüber dem Militärrat als machtlos erwies und Reformen nur langsam anging. Für Dienstag riefen ägyptische Protestbewegungen zu abermaligen Demonstrationen gegen den herrschenden Militärrat auf.
Bei Zusammenstößen zwischen Polizei und Demonstranten in Kairo sind seit Sonntag mehr als 30 Menschen getötet worden. Das ägyptische Gesundheitsministerium teilte am Montag außerdem mit, etwa 1750 Menschen seien seit Beginn der Unruhen am Samstag verletzt worden. Das Ministerium machte keine Angaben dazu, ob es sich bei den Opfern um Demonstranten handelte oder ob auch Sicherheitskräfte unter ihnen waren.
Am Montagmorgen kam es abermals zu Auseinandersetzungen auf dem Tahrir-Platz. Etwa 3000 Aktivisten standen hunderten Polizisten gegenüber, die Tränengas und Gummigeschosse abfeuerten. Zu Zusammenstößen kam es auch vor dem nahegelegenen Innenministerium.
Rücktritt des Militärrats gefordert
Die Demonstranten fordern einen schnelleren Übergang zu demokratisch legitimierten Institutionen und die Einsetzung eines zivilen Staatsrats an Stelle des Hohen Militärrats. Ferner forderten sie den Rücktritt des Vorsitzenden des Militärrats, Hussein Tantawi, und den von Ministerpräsident Essam Sharaf.
Eine offizielle Erklärung des Hohen Militärrats lag bis Sonntagabend nicht vor. General Muhsin al Fangari, ein Sprecher des Militärrats, sagte aber einem Fernsehsender, Proteste so kurz vor den Wahlen seien eine Gefahr für den Staat und damit für die Streitkräfte des Landes. Wahlen seien der legale Weg, um Meinungen kundzutun. Er bezeichnete die Demonstranten als „Feinde“. Die Jugend werde geblendet, sagte der General. Er deutete an, der Nachrichtensender Al Dschazira spiele dabei eine fragwürdige Rolle.
Am Freitag hatten die beiden stärksten islamistischen Kräfte Ägyptens, die Muslimbruderschaft und die Salafisten, zu einer Großkundgebung auf dem Tahrir-Platz gegen den Hohen Militärrat aufgerufen, um gegen die Verfassungsprinzipien zu protestieren, die der Militärrat vorgestellt hatte. Der Entwurf sieht auch vor, dass die Generäle 80 Prozent der Mitglieder der verfassungsgebenden Versammlung berufen dürften. Man benötige solche Dokumente nicht, sagte Essam al Eryan, der stellvertretende Vorsitzende der Partei der Muslimbruderschaft, der „Partei für Freiheit und Gerechtigkeit“. Es war der erste große Protest der Islamisten gegen das Militär.
Kommenden Montag beginnt in Ägypten die erste freie Parlamentswahl seit Jahrzehnten. Allerdings bleibt die Macht bis dahin beim Militär. Ein neuer Präsident soll erst Ende 2012 oder Anfang 2013 gewählt werden.