Macron und von der Leyen : Ein Präsident gerät ins Schwärmen
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Macron will von der Leyens Kandidatur für das Amt der EU-Kommissionspräsidentin „mit viel Nachdruck verteidigt“ haben. Bild: AFP
Emmanuel Macron hält die Deutsche Ursula von der Leyen für die ideale Kandidatin für den Vorsitz der EU-Kommission. Warum? Dazu zählte er geradezu enthusiastisch die Pluspunkte der deutschen Verteidigungsministerin auf.
Für den französischen Präsidenten bringt Ursula von der Leyen genau die richtige Mischung aus Erfahrung, Kompetenz und „profunder europäischer Kultur“ für den EU-Kommissionsvorsitz mit. Emmanuel Macrons Jubel über die Personalentscheidung des Europäischen Rates fällt umso größer aus, als er selbst die Idee in die verfahrenen Verhandlungen einbrachte. Auf Rückfrage lehnte er es zwar ab, wie er sagte, „zu viel Einblick in die Küche zu gewähren“. Aber er bestätigte, dass von der Leyen „nicht die erste deutsche Wahl“ gewesen sei und „ich ihre Kandidatur mit viel Nachdruck verteidigt habe“.
Im Elysée-Palast war man über den Vorwurf verärgert gewesen, dass Macron den EVP-Kandidaten Manfred Weber (CSU) vorgeblich ablehnte, weil dieser Deutscher sei. Der Chef der CDU/CSU-Gruppe im EU-Parlament, Daniel Caspary, hatte Macron vorgehalten, „antideutsch unterwegs zu sein“. Auch den Verdacht eines deutsch-französischen Zerwürfnisses, über das viel spekuliert worden war, konnte Macron mit der Personalie von der Leyen entkräften. Im Elysee-Palast ist man stolz darauf, dass sich Merkel und Macron als europäisches Führungsduo bewährten, dem der Durchbruch bei der Postenvergabe gelang. Macron erreichte das selbstgesetzte Ziel der Geschlechterparität. Die Bundeskanzlerin wusste er in dieser Frage auf seiner Seite.
„Sie ist perfekt frankophon“
Geradezu enthusiastisch listete Macron die Pluspunkte der deutschen Verteidigungsministerin auf. Nicht unerwähnt ließ er, dass von der Leyens Vater Ernst Albrecht als hoher Kommissionsbeamter wirkte und sie in Brüssel geboren sei. „Sie hat die DNA der europäischen Gemeinschaft.“ Er hob ausdrücklich ihre ausgezeichneten Französischkenntnisse hervor. Sie sei „perfekt frankophon“. Damit wird aus Sicht Macrons die ungeschriebene Regel respektiert, wonach EU-Kommissionspräsidenten des Französischen mächtig sein sollten. Obwohl der junge Präsident im Gegensatz zu seinen Vorgängern gewandt Englisch spricht, setzt er sich vehement für den Erhalt des Französischen als Arbeitssprache in der Kommission ein. In seiner Begeisterung über von der Leyen vergaß Macron beinahe, dass das Parlament ihrer Nominierung noch zustimmen muss. Christine Lagardes Aufstieg an die EZB-Spitze steht hingegen nicht unter Vorbehalt einer Parlamentsabstimmung.
Diplomaten erinnern sich, dass Macron schon im Juni 2018 beim deutsch-französischen Gipfel in Meseberg den Namen von der Leyen fallen ließ, als das Gespräch auf die künftige Spitze der EU-Kommission kam. Der Präsident schätzt, wie er sagte, „ihren Mut und ihre Entschlossenheit“. Sie habe die deutsch-französische Verteidigungszusammenarbeit vorangebracht und gezeigt, dass sie das Gemeinschaftsinteresse gegen „Partikularinteressen“ zu verteidigen wisse. Zuletzt zeigte sich Macron mit von der Leyen vor gut zwei Wochen bei der internationalen Flugschau in Le Bourget vor der Attrappe des Kampfflugzeuges, das beide Länder in Zusammenarbeit mit Spanien entwickeln wollen.
Große Sympathien in Frankreich
„Abwarten ist keine Option“: Dieser Satz der Verteidigungsministerin bei der Sicherheitskonferenz in München im Januar 2014 hatte den damaligen Präsidentenberater Macron aufmerken lassen. Zum Tag der Deutschen Einheit im Oktober 2016 trat von der Leyen als Ehrenrednerin in der deutschen Botschafterresidenz in Paris auf und gewann mit ihrem Plädoyer für einen verstärkten Beitrag Deutschlands zur europäischen Verteidigung weitere Sympathien. Auch ihre gesellschaftspolitische Positionierung gefiel Macron. Bereits 2011 hatte sie sich für die Einführung eines Mindestlohns und von Frauenquoten für Führungspositionen in börsennotierten Unternehmen ausgesprochen.
Die Familienpolitik der siebenfachen Mutter war zuvor auf ein positives Echo in Frankreich gestoßen, das viel Wert auf die Vereinbarkeit von Familie und Beruf legt. Macron rechnete es von der Leyen an, dass sie 2017 zu der Minderheit in ihrer Partei gehörte, die für die „Ehe für alle“ stimmte. Politische Nähe wie diese vermisste der Präsident bei Weber. Als Wirtschaftsminister hatte Macron im Frühjahr 2015 das Gespräch mit dem EVP-Fraktionsvorsitzenden gesucht. Der Austausch führte nicht zu einer Annäherung. Noch vor der Entscheidung der EVP, Weber zum Spitzenkandidaten zu nominieren, lehnte Macron das Verfahren ab.
Diese Ablehnung gründet auch auf einem anderen Verständnis der Rolle des Straßburger Parlaments. „Das wahre Herz Europas schlägt im europäischen Parlament“, schrieb Weber kürzlich in einem Meinungsbeitrag in der Zeitung „Le Monde“. Macron hingegen ist davon überzeugt, dass das Herz Europas auch in den Mitgliedstaaten und ihren nationalen Parlamenten schlägt. Seine Vorstellung kommt dem Urteil des Bundesverfassungsgericht nahe, das in dem Straßburger Parlament eine Vertretung der Staatsvölker sieht, „von der ergänzend eine demokratische Abstützung der Politik der EU ausgeht“.
Die Forderung Webers, das EU-Parlament zu einer „eigenständigen parlamentarischen Demokratie“ auszubauen, lehnt Macron ab. Er hegt den Verdacht, dass dahinter der Plan steht, die EU nach dem Abbild des deutschen Parlamentarismus zu gestalten. Dies hieße aber, der Vielfalt der politischen Systeme in der EU nicht Rechnung zu tragen. Letztendlich war seine Verhandlungsstrategie aber der Einsicht geschuldet, dass Weber im EU-Parlament keine Mehrheit zustande bekommen würde. In den französischen Medien wurde Macron einhellig als Verhandlungskünstler gefeiert.