Luftschläge gegen Syrien? : Washington plant kurze Kampagne
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Kämpfer der „Freien Syrischen Armee“ in der Nähe des Flughafens von Aleppo Bild: REUTERS
In Washington gilt es als sicher, dass Präsident Obama binnen einer Woche Luftschläge auf syrische Ziele anordnen wird. Eine Sitzung des UN-Sicherheitsrats endete ohne eine Beratung über Syrien.
In Washington wird erwartet, dass Präsident Barack Obama binnen einer Woche eine ein- bis dreitägige Kampagne von Luftschlägen auf syrische Ziele anordnen wird. Als ausgeschlossen gelten Angriffe auf Chemiewaffendepots. Zu groß sei die Gefahr, dass gerade dadurch Zivilisten dem Giftgas ausgesetzt würden oder Extremisten in den Besitz von Chemiewaffen kämen.
Unterdessen ging am Mittwoch eine Sitzung des UN-Sicherheitsrats in New York zu Ende, ohne dass über einen von Großbritannien angekündigten Resolutionsentwurf beraten wurde, der ein militärisches Vorgehen gegen Syrien legitimieren soll. Zuvor hatte das britische Außenministerium mitgeteilt, nun habe das Gremium Gelegenheit, seiner Verantwortung gerecht zu werden. Die fünf vetoberechtigten Mitglieder berieten sich vor der Sitzung hinter verschlossenen Türen in separaten Treffen über den Entwurf, den Großbritannien dann allerdings am Mittwoch noch nicht, wie zuvor erwartet, in den Rat einbrachte.
Russland: „Taktisches Manöver“
Russland lehnte den Vorstoß in einem dieser Treffen als „taktisches Manöver“ ab. Londons Ziel sei es, nach einem Militärschlag sagen zu können, alles sei versucht worden, um den Sicherheitsrat einzubeziehen, sagte der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses der Duma, Aleksej Puschkow. Russlands stellvertretender Außenminister Wladimir Titow verlangte, der Rat solle erst Beschlüsse zu Syrien fassen, wenn die UN-Inspekteure ihre Untersuchung des mutmaßlichen Giftgasanschlags nahe Damaskus beendet hätten. Auch UN-Generalsekretär Ban Ki-moon forderte mehr Zeit für die Inspekteure: „Sie brauchen noch vier Tage.“ Wann und ob überhaupt nun über das Papier beraten wird, war zunächst unklar. Eine Sondersitzung des Rats kann jederzeit einberufen werden.
Bundeskanzlerin Merkel lobte die britische Initiative. Sie appellierte an Moskau und Peking, einen Beschluss des Sicherheitsrats nicht länger zu blockieren. Die Bundesregierung geht „mit allerhöchster Wahrscheinlichkeit davon aus“, dass es in Syrien „zum ersten großflächigen Einsatz von Chemiewaffen im 21. Jahrhundert gekommen ist“.
Auf einen solch schweren Verstoß gegen die internationale Chemiewaffenkonvention müsse mit klaren Konsequenzen reagiert werden, sagte Frau Merkel. Die Bundesregierung teilte weiter mit, es habe von den westlichen Verbündeten bislang keinerlei Anfragen nach militärischen Beiträgen Deutschlands in Bezug auf eine mögliche bewaffnete Reaktion gegen Syrien gegeben. Die Bundesregierung werde „dazu beitragen“, dass das syrische Vorgehen „nicht ohne Konsequenzen bleibt“.
Rasmussen: Verantwortlichen zur Rechenschaft ziehen
Auch Nato-Generalsekretär Rasmussen erklärte, die Verwendung solcher Waffen sei ein klarer Verstoß gegen internationale Normen. Die Verantwortlichen müssten zur Rechenschaft gezogen werden. „Informationen aus verschiedenen Quellen weisen darauf hin, dass das syrische Regime verantwortlich für den Gebrauch von Chemiewaffen in diesen Angriffen ist“, heißt es in Rasmussens Erklärung. Die Botschafter sprachen dem Vernehmen nach nicht darüber, ob sich die Allianz an etwaigen Militärschlägen gegen das Assad-Regime beteiligen könnte.
Die Regierung in London reagierte mit ihrem UN-Resolutionsentwurf auf entsprechende Forderungen der britischen Opposition sowie der Liberaldemokraten, die in einer Koalition mit den Konservativen stehen. An diesem Donnerstag soll das Unterhaus in einer Sondersitzung über den Plan von Premierminister Cameron abstimmen, auf den Einsatz von Giftgas zu reagieren. Welche Mittel dazu eingesetzt werden sollen, wird der Regierungsantrag dem Vernehmen nach offenlassen. Wie die Nachrichtenagentur Bloomberg mit Verweis auf mit dem Vorgang befasste Kreise berichtete, hat das britische Militär Premierminister Cameron die Option einer kurzen, intensiven Kampagne von Luftschlägen vorgelegt.
Vereinigte Staaten: Geht nicht um Regimewechsel
Das Weiße Haus bekräftigte, es gehe bei einem militärischen Vorstoß gegen Syrien nicht darum, einen Regimewechsel herbeizuführen, sondern um Abschreckung und um eine Schwächung der Fähigkeit der syrischen Armee, Massenvernichtungswaffen einzusetzen. Als bisher ranghöchster Vertreter der amerikanischen Regierung bekräftigte Vizepräsident Joe Biden am Dienstagabend, dass das Assad-Regime chemische Kampfstoffe eingesetzt habe. Das gefährde die nationale Sicherheit der Vereinigten Staaten.
Die amerikanische Regierung wollte noch nicht ihre Geheimdiensterkenntnisse über den Angriff in der Region Ghuta nahe Damaskus vom Mittwoch voriger Woche veröffentlichen. Mitarbeiter der Regierung streuten aber Informationen, nach denen sich die amerikanischen Schlussfolgerungen nicht allein auf die Analyse von Gewebeproben stützen. Auch abgefangene Kommunikation sowie Satellitenaufnahmen zeigten, dass die syrische Armee den Einsatz in Ghuta vorbereitet habe. Dem „Wall Street Journal“ wurde versichert, der Auslandsgeheimdienst CIA habe zudem Angaben eines israelischen Spions überprüfen können, der verdeckt in einer Eliteeinheit der syrischen Streitkräfte eingesetzt sei. Nach Informationen der Zeitung versucht Washington darauf hinzuwirken, dass die UN sofort ihre Waffeninspekteure aus Syrien abziehen, damit diese bei einem westlichen Angriff nicht in Gefahr geraten.
Unterdessen hat die amerikanische Regierung begonnen, ihre Pläne mit Mitgliedern des Kongresses zu besprechen. Bisher gibt es kaum grundsätzlichen Widerstand. Der republikanische Senator John McCain warnte davor, mit einem zu geringen Einsatz militärischer Mittel Assad die Chance zu geben, sich als Sieger zu präsentieren. Die Zeitung „New York Times“ teilte mit, Hacker einer Assad-treuen Gruppe namens „Elektronische Syrische Armee“ hätten ihre Server für etwa 18 Stunden lahmgelegt.