Laszlo Solyom : Ungarns Präsident
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Mit deutscher Vorbildung: Laszlo Solyom Bild: REUTERS
Das neue ungarische Staatsoberhaupt gehört seit Jahrzehnten zur wissenschaftlichen Elite des Landes. Der Verfassungsjurist war lange Zeit als Stipendiat in Deutschland.
Vor einigen Jahren standen einige Wissenschaftler, Verfassungsrechtler und Politologen in der Kölner Universität zusammen, die auf Initiative des (inzwischen verstorbenen) Ostrechtlers Georg Brunner gerade ihrem Gastprofessor Laszlo Solyom die Ehrendoktorwürde verliehen hatte. Jemand sagte zu Solyom: „Wollen Sie nicht der nächste Präsident Ungarns werden!“
Der mittelgroße Mann mit dem akkuraten Scheitel und dem scharf gezeichneten Gesicht zeigte auf einen anderen Anwesenden: „Er wird Präsident, Ministerpräsident Orban hat es ihm versprochen.“ Tatsächlich wurde im folgenden Jahr der Verfassungsrechtler Ferenc Madl zum Staatsoberhaupt gewählt: Eine ganze Reihe der führenden Politiker von Fidesz und Ungarischem Demokratischen Forum, die gerade in Budapest die Regierung stellten, hatten in den Endjahren der sozialistischen Volksrepublik bei ihm die Rechte studiert.
Freundschaftliche Beziehung
Der Fragesteller bekam dann eine Amtszeit später doch recht: Am Dienstag wählte das ungarische Parlament Laszlo Solyom zum neuen Staatsoberhaupt. Im dritten Wahlgang bekam der neue Kandidat von Fidesz und MDF 185 Stimmen - drei mehr, als die wackere und in der Bevölkerung beliebte Kandidatin der sozialistischen Regierungspartei, die Parlamentspräsidentin Katalin Szili, erreichte.
Solyom gehört seit Jahrzehnten zur wissenschaftlichen Elite des Landes. Er hatte unter dem kommunistischen Regime das etwas politikferne Gebiet des Zivilrechts beackert und war so zum wohl bekanntesten Lehrmeister jenes Teils der neuen Wirtschaftselite geworden, der Wert auf eine solide juristische Vorbildung legte. Lange Zeit war er als Stipendiat der Humboldt-Stiftung in Deutschland; er gehört zu jenem internationalen Kreis von Verfassungsjuristen, die die deutsche Idee des Verfassungsgerichts nach der großen Wende von 1989/90 in so vielen Ländern Mittel- und Osteuropas heimisch machten. Aus jener Zeit stammen seine kollegialen, oft freundschaftlichen Beziehungen zu den deutschen Verfassungsrechtlern, an ihrer Spitze der frühere Bundespräsident Herzog.
Mitarbeit an der ungarischen Verfassung
Schon mit der „deutschen“ Vorbildung war Solyom der einflußreichste Rechtsberater der antikommunistischen Opposition am Budapester „Dreieckigen Tisch“ geworden, die den Übergang von der Volksrepublik zur demokratisch legitimierten Republik regelten. Folgerichtig wurde Solyom der Gründungspräsident des ungarischen Verfassungsgerichts. Neun Jahre lang war er nicht nur der Vorarbeiter, sondern auch der Hauptarbeiter an seinem Gericht.
In einem ständigen Dialog, man müßte wohl richtiger sagen: in einem ständigen Wettbewerb mit den anderen Verfassungsorganen, in erster Linie mit dem damaligen Staatspräsidenten Göncz, gestaltete Solyom die ungarische Verfassungswirklichkeit. Weitreichende Urteile von der Abschaffung der Todesstrafe, über die Abtreibungsregelung bis hin zur Einführung des Prinzips Entschädigung statt Rückgabe tragen vom ersten bis zum letzten Buchstaben seine Handschrift.
Laszlo Solyom wurde am 3. Januar 1942 in Pecs geboren. Daß er und seine Frau aus dem Ruhestand in den Staatsdienst zurückkehren, werden seine neun Enkelkinder als erste merken.