Kyle Rittenhouse in Phoenix : Neuer Held der extremen Rechten
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„Nichts falsch gemacht“: Rittenhouse in Phoenix Bild: AP
Beim „AmericaFest“ zelebriert die Rechte sich und ihre Feindbilder. Ihr Stargast ist Kyle Rittenhouse, der frei gesprochene Teenager, der in Kenosha zwei Männer erschoss.
In Phoenix, Arizona, kann man noch auf Massenveranstaltungen feiern – und feiern wollten sie, die 6700 Menschen, die zum „AmericaFest“ der Jugendorganisation „Turning Point USA“ gekommen waren. An vier Tagen hörten sie Reden von prominenten Politikern und Aktivisten, die meisten Anhänger des früheren Präsidenten Donald Trump. Einer war als besonderer Ehrengast angekündigt und wurde mit Jubel empfangen: Kyle Rittenhouse, 18 Jahre alt und nach seinem Freispruch im November ein neuer Medienstar der Rechten.
Rittenhouse hatte bei den antirassistischen Protesten in Kenosha 2020 zwei Männer erschossen und einen verletzt, aber erfolgreich auf Selbstverteidigung plädiert. Sein Prozess sei ein Beleg dafür, dass „die“ daran arbeiteten, „uns unsere Rechte aus dem zweiten Verfassungszusatz, unser Recht auf Selbstverteidigung und unsere Waffen zu nehmen“, sagte Rittenhouse in Phoenix. „Wartet es ab“, antwortete er auf die Frage, ob er vorhabe, Medien für die Berichterstattung über ihn zu verklagen – jemand werde „zur Verantwortung gezogen“ werden.
„Turning Point USA“, die ihren Hauptsitz in Phoenix hat, gilt als eine der wichtigsten republikanischen Vorfeldorganisationen und soll nach eigenen Angaben an eintausend Universitäten im Land vertreten sein. Der Verein bekommt Spenden von konservativen Gruppen und republikanischen Politikern. Im Jahr 2020 meldete er rund vierzig Millionen Dollar Einnahmen. Veranstaltungen wie das „AmericaFest“ ziehen die prominentesten Vertreter der republikanischen Rechten an, weil „Turning Point“ die Stimmen junger Leute organisieren soll.
„Du bist ein Held für Millionen“
Rittenhouse nahm gemeinsam mit Charlie Kirk, dem Gründer von „Turning Point“, an einer Diskussion zum Thema „Kenosha vor der Kamera“ teil. Dabei war auch Jack Posobiec, ein Vertreter der „Alt Right“-Bewegung, der mit 1,5 Millionen Followern bei Twitter zu den prominentesten Trump-Unterstützern im Netz zählt. Kirk begrüßte Rittenhouse mit den Worten: „Du bist ein Held für Millionen, es ist eine Ehre, dich hier zu haben!“ Schon vor seinem Freispruch war der 18-jährige zu einer neuen Identifikationsfigur für Rechte geworden. Es gibt inzwischen T-Shirts und andere Werbeartikel mit seinem Konterfei und Sprüchen wie „Kyle hat nichts falsch gemacht“. Abgeordnete wie Matt Gaetz boten ihm Praktika in ihren Kongressbüros an.
Der damals 17-jahrige Rittenhouse hatte in Kenosha in Wisconsin im Sommer 2020 zwei Männer erschossen und einen verletzt – dennoch musste er nicht ins Gefängnis. Der aus Illinois stammende Teenager hatte ein AR-15 Sturmgewehr in den Nachbarstaat mitgebracht und sich Männern angeschlossen, die angaben, Geschäfte vor Plünderungen schützen zu wollen. Zuvor hatte ein Polizist den Afroamerikaner Jacob Blake durch mehrere Schüsse in den Rücken lebensgefährlich verletzt. Danach kam es zu Protesten und teilweise gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Aktivisten und der Polizei. Rittenhouse schoss auf die drei Männer, nachdem sie ihn bedroht hätten. Nach Ansicht der Staatsanwaltschaft provozierte der schwer bewaffnete Jugendliche den Konflikt. Die Geschworenen glaubten Rittenhouse, dass er sich verteidigt habe und sprachen ihn frei.
Rolle als konservative Identifikationsfigur voll angenommen
Als Rittenhouse am Montag in das Kongresszentrum in Phoenix kam, riefen seine Fans schon im Foyer „Kyle, Kyle“, danach ging es mit stehenden Ovationen weiter. Der junge Mann habe seine Rolle als neue konservative Identifikationsfigur nun voll angenommen, schrieb die regionale Zeitung „AZ Central“ über den Auftritt. Der Sender NBC kommentierte, die Einladung von Rittenhouse sende die gefährliche Botschaft, dass es in Ordnung sei, sich mit extremen Mitteln gegen den politischen Gegner zu „verteidigen“. Im Vorfeld hatte sich Rittenhouse zumindest rhetorisch noch gelegentlich von den Rechten abgegrenzt, indem er etwa gesagt hatte, er unterstütze die Ziele der Black Lives Matter Bewegung. Nun wurde ein Journalist, der Rittenhouse fragte, warum er denn für BLM sei, in Phoenix aus dem Saal geworfen. Auf dem Podium gab sich der Teenager bescheiden und sagte, er sei durch seinen Prozess „gewachsen“ und habe stets zu Gott gebetet – „um Kraft, nicht um einen Freispruch“.
Neben Rittenhouse traten in Phoenix auch etliche andere prominente Rechte auf. Donald Trump Jr. hielt eine Rede und erfreute die Fans, indem er den Slogan „Let’s go, Brandon“ benutzte und sie mit einer Handbewegung zu dem Sprechchor animierte, der in rechten Kreisen für „Fuck Joe Biden“ steht. Auch die Abgeordneten Jim Jordan, Matt Gaetz und Lauren Boebert standen auf der Rednerliste.
Die Diskussionsrunden an den vier Tagen trugen Titel wie: „Wie kulturelle Marxisten Amerika gekidnappt haben“, „Wie man den Wokeismus überlebt“ oder auch „Wie man die biblische Staatsbürgerschaft lehrt“. Ein Panel griff unter der Überschrift „Champions knien nicht: Wie die Linke die Sportkultur in Amerika ruiniert“ die antirassistischen Proteste von Sportlern wie Colin Kaepernick an. Und etliche Gäste sorgten mit markigen Sprüchen für Begeisterung. „Nur über meine Leiche“ werde sie sich gegen Covid-19 impfen lassen, verkündete etwa die ehemalige Gouverneurin von Alaska, Sarah Palin.