Nach tagelangen Gefechten : Kurden melden Rückeroberung von IS-Gefängnis
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Kurdische Kämpfer am Sonntag in Hassakeh Bild: AP
Fast eine Woche dauerte es, bis kurdisch geführte Milizen einen Großangriff des IS in Hassakeh abwehren konnten. Wie viele IS-Extremisten entkommen sind, ist weiter unklar – ebenso, ob auch Deutsche dazu zählen.
Die Sicherheitskräfte im nordostsyrischen Hassakeh haben nach fast einer Woche heftiger Gefechte mit dschihadistischen Kämpfern die Rückeroberung des Gefängnisses gemeldet, das der „Islamischen Staat“ (IS) am Donnerstag angegriffen hatte. Ein Sprecher der von kurdischen Milizen dominierten „Syrian Democratic Forces“ (SDF) meldete am Mittwochnachmittag, die Anlage sei unter „vollständiger Kontrolle“, alle Terroristen dort hätten sich ergeben. Die SDF verbreiteten Bilder der von den Gefechten gezeichneten Anlage und aufgereihten Gefangenen, viele von ihnen in grellorangener Gefangenenkluft.
Unabhängige und genaue Zahlen zu Toten oder entkommenen gab es auch am Mittwoch zunächst nicht. Entsprechend war auch nicht klar, ob westliche – oder auch deutsche Extremisten – während der Kämpfe der der vergangenen sechs Tage getötet wurden oder entkommen konnten. Es war von dutzenden Toten aus den Reihen der Sicherheitskräfte die Rede, sowie hunderten getöteten Dschihadisten, zu denen sowohl Angreifer als auch Gefangene zählten.
Koordinierter Großangriff des IS
Am späten Donnerstagabend hatte der IS einen koordinierten Großangriff auf das Gefängnis begonnen, in dem Tausende Extremisten festgehalten wurden. Selbstmordattentäter sprengten die Tore auf, die IS-Kämpfer übernahmen die Kontrolle über etwa ein Viertel der Anlage. Die Aktion hatte sich zu einer tagelangen Schlacht ausgeweitet, da der IS zudem die umliegenden Gegenden infiltriert hatte.
Die amerikanisch geführte Anti-IS-Koalition unterstützte die SDF und flog Luftangriffe auf das Gefängnis. Die kurdisch geführte Miliz erklärte, die Rückeroberung der Anlage sei verlangsamt worden, weil der IS dort hunderte minderjährige Gefangene als menschliche Schutzschilde missbraucht habe.
Das Gefängnis, das im Mittelpunkt der Gefechte in Hassakeh stand, war ursprünglich eine Gewerbeschule. Nachdem das IS-Pseudokalifat im Frühjahr 2019 vollständig zusammengebrochen war, wurden sie zu einer Haftanstalt umgebaut. Vor gut zwei Jahren hatte die F.A.Z. das Behelfsgefängnis besucht und dort mit festgesetzten deutschen IS-Extremisten gesprochen. Seit Jahren gelten überfüllte Haftanstalten wie jene in Hassakeh als tickende Zeitbomben. Der Angriff wirft abermals ein Schlaglicht auf die vielen Kämpfer aus dem Ausland, die nach Syrien und in den Irak reisten, um sich dem IS anzuschließen.
IS ist im Untergrund erstarkt
Die kurdische Autonomieverwaltung hat erklärt, es sei nicht ihre Aufgabe, die Extremisten vor Gericht zu stellen. Sie fordert vergeblich von den Regierungen der Herkunftsländer, ihre Extremisten zurückzuholen. Aber diese - auch die deutsche - stellen sich taub, wenn es um die in den Gefängnissen einsitzenden IS-Extremisten geht. Berlin hat stets darauf verwiesen, dass es keine konsularischen Betreuungsmöglichkeiten gebe, weil die kurdisch dominierte Verwaltung nicht anerkannt sei; deren Kader sind Gefolgsleute von PKK-Führer Abdullah Öcalan. Wenn gelegentlich Frauen und Kinder zurückgeholt werden, scheint das weniger ein Problem zu sein.
Der koordinierte Großangriff von Hassakeh ist außerdem ein Zeichen dafür, dass der IS im Untergrund wieder erstarkt ist – und dass er in Nordostsyrien auf Ressentiments in den arabischen Stämmen gegenüber der straff organisierten kurdischen Führung setzen kann, deren Herrschaftsbereich weit über das kurdische Kernland hinausreicht. Auch das Viertel in Hassakeh galt als anti-kurdische Brutstätte.