ÖVP-Affären : Der „Kronzeuge“ gegen Kurz beantwortet keine Fragen
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Thomas Schmid (mit Maske) am Donnerstag in Wien auf dem Weg zum ÖVP-Korruptionsausschuss Bild: dpa
Thomas Schmid, der Kronzeuge gegen Sebastian Kurz werden möchte, schweigt im Untersuchungsausschuss. Die Schlammschlacht um den früheren österreichischen Kanzler wird weitergehen.
Mit allen Anzeichen der Nervosität schlägt Thomas Schmid die Daumen aufeinander, während er einen Schriftsatz mit vielen Paragraphen und Rechtsprechungsverweisen vorliest. Schmid war einst ein Verbündeter des damaligen ÖVP-Vorsitzenden und österreichischen Bundeskanzlers Sebastian Kurz, nun will er Kronzeuge gegen ihn werden. Doch im Untersuchungsausschuss des Parlaments wollte Schmid am Donnerstag „keinerlei Fragen beantworten, da alle Themen die laufenden Ermittlungsverfahren betreffen“. Und da sich viele Ermittlungen der österreichischen Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) auch gegen ihn richten, machte er das Recht für sich geltend, die Aussage zu verweigern, um sich nicht womöglich selbst zu belasten.
Daher bestand der mit Spannung erwartete und von vielen Medien begleitete Auftritt aus nicht viel mehr als der ständigen Wiederholung des Satzes: „Ich berufe mich auf mein Aussageverweigerungsrecht und werde die Frage nicht beantworten.“ So lautete die Aussage nicht nur auf Fragen nach komplizierten Steuerrechnungen, sondern auch auf die schlichte Aufforderung, seine eigene Unterschrift zu identifizieren. Die SPÖ-Politikerin Doris Bures, die als Zweite Nationalratspräsidentin die Sitzung leitete, kündigte Anträge auf Beugestrafen von bis zu 10.000 Euro an, über die der Verwaltungsgerichtshof befinden muss. Doch Schmid blieb bei seiner Taktik, die an den italienischen Catenaccio-Defensivstil im Fußball erinnert.
Schmid war Scharnier zwischen Politik und Verwaltung
Mehr als ein Jahr lang war Schmid von der Bildfläche verschwunden gewesen, er soll seinen Wohnsitz gar in die Niederlande verlegt haben. In der österreichischen Innenpolitik war er trotzdem auch nach seiner Ablösung im Juni 2021 als Chef der staatlichen Beteiligungsholding ÖBAG höchst präsent: Zunächst wegen seiner anstößigen und verfänglichen Chats, die aus den Akten der Staatsanwaltschaft ihren Weg in die Öffentlichkeit fanden („Du hackelst im ÖVP-Kabinett. Du bist die Hure für die Reichen“). Und dann, als vor zwei Wochen die Nachricht kursierte, dass er ein umfangreiches Geständnis bei der WKStA abgelegt habe. Dabei belastete er sich, vor allem aber auch Kurz und ein paar weitere ÖVP-Größen.
Schmid hatte früher als Spitzenbeamter im Finanzministerium eine Scharnierfunktion zwischen Politik und Verwaltung eingenommen. Regelmäßig hat er nach eigener Aussage diese Aufgabe so wahrgenommen, dass Posten parteipolitisch besetzt und bestimmte Unternehmer steuerlich begünstigt wurden. Und es wurden offenbar öffentliche Mittel für Zwecke der ÖVP verwendet, etwa Umfragen und Anzeigen, die eine günstige Medienberichterstattung sichern sollten. Ein Karussell zwischen Ministerium, einem Boulevardmedium und einem Umfrageinstitut hat Schmid nach der Leiterin des Instituts einmal als „Beinschab-Tool“ bezeichnet.
Das war die Affäre, die im vergangenen Herbst die politische Karriere von Sebastian Kurz beendete, als die WKStA Durchsuchungen und Beschlagnahmen unter anderem im Bundeskanzleramt und in der ÖVP-Zentrale vornehmen ließ. Die Staatsanwälte mutmaßen, dass Kurz der eigentliche Anstifter des „Beinschab-Tools“ gewesen sei. Kurz selbst hat das zurückgewiesen. Schmid hat jüngst in seiner Aussage – in auffälliger Übereinstimmung mit der Diktion der WKStA in deren Durchsuchungsanordnungen – Kurz ausdrücklich als Auftraggeber bezeichnet, der auch genau gewusst habe, dass da Geld zweckentfremdet wurde. Das wiederum hat Kurz mithilfe eines Telefonmitschnitts aus dem vergangenen Herbst zu widerlegen versucht, in dem Schmid sich noch ganz anders äußerte. Vor Schmids Auftritt im U-Ausschuss wurde sogar ein Link zum Tondokument dieses Telefonats der beiden einstigen Verbündeten über Twitter verbreitet.
Sollte jemand vor dem Ausschuss eine Entgegnung von Schmid erwartet haben, so dürfte er enttäuscht worden sein. Doch die Schlammschlacht wird weitergehen, bis die Staatsanwälte die Affäre vor Gericht bringen.