Donald Trump: Hat er den Konflikt zwischen dem Kosovo und Serbien als potentielles Wahlkampfmanöver auserkoren? Bild: EPA
Donald Trump hat die Regierungen Serbiens und des Kosovos nach Washington eingeladen. Die beiden Balkanländer rätseln nun, was dahinter steckt. Und die EU bemüht sich ihrerseits um eine friedliche Lösung.
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Am Monatsende haben die Präsidenten Serbiens und des Kosovos, Aleksander Vučić und Hashim Thaçi, eine heikle Dienstreise vor sich: Für den 27. Juni hat Donald Trump sie zu Gesprächen ins Weiße Haus eingeladen. Verkündet wurde die Nachricht von Richard Grenell, der bis vor kurzem Trumps Botschafter in Berlin war und seit Oktober vergangenen Jahres zudem dessen Sonderbeauftragter für die „Friedensverhandlungen“ zwischen Serbien und dem Kosovo ist. „Großartige Neuigkeiten“, hatte Grenell am Montag getwittert und mitgeteilt, beide Regierungen hätten als Vorbedingung für das Treffen zugesagt, ihre diplomatischen Grabenkämpfe vorübergehend einzustellen. Diese bestehen darin, dass das Kosovo versucht, immer mehr Staaten zu einer Anerkennung seiner 2008 proklamierten Unabhängigkeit zu überreden, während Serbien dagegenhält. Serbische Diplomaten versuchen nicht nur, Staaten davon abzuhalten, die einstige Provinz Serbiens als eigenständig anzuerkennen, sondern reisen auch um die Welt um solche, die schon anerkannt haben, zu einer „Aberkennung“ zu bringen. So konnte Außenminister Ivica Dačić, einst Sprecher des 2006 in Haft des UN-Kriegsverbrechertribunals gestorbenen früheren serbischen Präsidenten Slobodan Milošević, im März verkünden, Sierra Leone habe seine Anerkennung des Kosovos „zurückgezogen“. Einige andere Staaten von ähnlicher Größe und Bedeutung hatten das schon zuvor getan.
Damit soll es nun laut Grenell zumindest vorübergehend vorbei sein, um die „Diskussionen“ im Weißen Haus nicht zu gefährden. Worüber genau Trump diskutieren will, ist freilich ein Rätsel. Grenell twitterte dazu: „Wie wir beständig gesagt haben, müssen wir zunächst Fortschritte beim Wachstum der Volkswirtschaften erzielen. Das ist der Fokus. Ich freue mich auf diese Diskussionen.“ Zu Jahresbeginn hatte Grenell in einer Art Blitz-Pendeldiplomatie zwischen Belgrad und Pristina die Unterzeichnung von mehreren vorläufigen Wirtschaftsabkommen durchgesetzt, welche unter anderem die Wiederaufnahme von direkten Zug- und Flugverbindungen zwischen Belgrad und Pristina vorsahen – erstmals seit dem Kosovo-Krieg von 1999. Diese vagen Vereinbarungen, von Trump seinerzeit als Durchbruch betwittert, waren jedoch von so vielen ungeklärten Fragen begleitet, dass sie wohl auch ohne die Pandemie heute nicht viel mehr wären als das, was sie einstweilen bleiben werden: Absichtserklärungen ohne Substanz.
Im Kosovo und in Serbien wird nun gerätselt, was die eigentliche Absicht hinter der jüngsten Initiative des amerikanischen Präsidenten und seines Vertrauten sein könnte. Dass Trump sich um die regionale Stabilität des Balkans sorge, wird ihm dabei weder in Belgrad noch in Pristina unterstellt. Aus dem Umkreis des früheren kosovarischen Ministerpräsidenten Albin Kurti, der maßgeblich auf Grenells Betreiben hin gestürzt wurde, da er sich den Vorgaben des Amerikaners widersetzt hatte, ist dazu jedoch eine Vermutung zu hören: Trump, so heißt es dort, wolle einen wie immer auch gearteten „historischen Deal“ verkünden, um den seit 1999 bestehenden amerikanische Militärstützpunkt im Kosovo (Camp Bondsteel) auflösen und im Wahlkampf verkünden zu können, er habe amerikanische Soldaten nach Hause gebracht. Um ein solches Abkommen zu erreichen, heißt es dazu aus Pristina, schrecke Washington auch nicht davor zurück, Grenzveränderungen zu fordern. Zur Not solle durch Gebietsverschiebungen zugunsten Serbiens die Zustimmung Belgrads zu einem Abkommen erreicht werden.