Korruptionsskandal in Brasilien : Prozess um den großen Monatslohn
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Tatort Nationalkongress: Die Regierungspartei PT soll jahrelang Stimmen im Parlament gekauft haben. Bild: REUTERS
Die Liste der Anschuldigungen ist lang: Korruption, Veruntreuung, Betrug und Bandenbildung. In Brasilien beginnt der Prozess um den größten Korruptionsskandal des Landes. Angeklagt sind 38 frühere Minister, Parlamentarier, Unternehmer und Banker.
Vor dem Obersten Bundesgericht Brasiliens beginnt an diesem Donnerstag der Prozess um einen der größten Korruptionsskandale in der Geschichte des Landes - den sogenannten Mensalão („großer Monatslohn“). Sieben Jahre dauerten die Ermittlungen, mehr als 50.000 Seiten Akten wurden angehäuft, rund 600 Zeugen verhört. Insgesamt stehen nun 38 frühere Minister, Parlamentarier, Unternehmer und Banker vor Gericht. Ihnen werden unter anderem Korruption, Veruntreuung, Geldwäsche, Betrug und Bandenbildung vorgeworfen.
Im Zentrum des Verfahrens steht der Kauf von Stimmen im Parlament zwischen 2003 und 2005, also während der ersten Amtszeit von Luiz Inácio Lula da Silva als Staatspräsident. Lulas Arbeiterpartei (PT), der auch die amtierende Präsidentin Dilma Rousseff angehört, soll damals Abgeordnete anderer Parteien mit monatlichen Zahlungen von umgerechnet gut 8000 Euro zur Stimmabgabe für Projekte der Regierung bewegt haben. Der Tageszeitung „O Globo“ zufolge sollen so im Lauf der Jahre mindestens 101,6 Millionen Reais (mehr als 25 Millionen Euro) an Korruptionsgeldern geflossen sein. Um diesen Geheimfonds der PT zu finanzieren, sollen unter anderem Gelder aus Staatsbetrieben, etwa der Banco do Brasil, veruntreut worden sein.
Als Drahtzieher der systematischen Bestechung gilt den Anklägern José Dirceu, der als Präsidentschaftsminister einer der engsten Vertrauten Lulas war. Mitangeklagt sind außerdem die früheren Minister für Kommunikation und Verkehr sowie José Genoino, der Vorsitzender der PT war, und Delúbio Soares, der ehemalige Schatzmeister der Partei. Lula selbst blieb bei den Ermittlungen außen vor. Er stritt stets ab, von dem Stimmenkauf gewusst zu haben, und entschuldigte sich in einem Fernsehauftritt für die Fehler seiner Partei. Ein Jahr nach dem Skandal wurde er wiedergewählt.
Mehrere Angeklagte bestritten vor Prozessbeginn die Existenz des Mensalão-Systems. Der Anwalt von José Dirceu sagte der Zeitung „O Estado de São Paulo“, die Geschichte sei frei erfunden. Ein System zum Kauf von Stimmen im Parlament habe nie existiert. Der frühere PT-Vorsitzende Genoino wies jede Verantwortung für die Finanzen seiner Partei von sich.
Lulas Nachfolgerin Rousseff, die selbst schon mehrere Minister wegen Korruptionsvorwürfen entlassen hat, hält sich bedeckt. Urteile im Mensalão-Prozess, die frühestens für September erwartet werden, könnten zwar auch für sie einen Schlussstrich unter die Skandale der Ära Lula bedeuten. Anderseits lässt sich nur schwer abschätzen, welche Auswirkung die Bilder der vielen ehemaligen PT-Mitglieder auf der Anklagebank auf das öffentliche Bild der Partei haben. Im Oktober stehen wichtige Kommunalwahlen bevor.