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Wahl in Griechenland : Kein Rabatt für Mitsotakis

  • -Aktualisiert am

Kyriakos Mitsotakis von der Partei Nea Dimokratia wird wohl der neue griechische Ministerpräsident. Die Aufgaben bleiben jedoch die alten. Bild: Reuters

Nach dem Irrweg, den Griechenland nicht erst unter Tsipras betreten hatte, kann es unter dem künftigen Regierungschef Mitsotakis auf einen Ausweg hoffen. Aber auch der wird lang und steinig sein – und könnte die Europäer neues Geld kosten.

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          Im Jahr 2015 haben die Griechen Alexis Tsipras das Mandat erteilt, ihr Land zu verändern. Nun haben sie ihm diesen Auftrag wieder entzogen. Ein anderes Land wollen viele Griechen zwar immer noch – doch Tsipras ist längst nicht mehr der Mann, dem sie eine Wende zum Besseren zutrauen.

          Sie vertrauen nun auf Kyriakos Mitsotakis. Der Erfolg seiner konservativen Nea Dimokratia bei der Parlamentswahl an diesem Sonntag spricht eine deutliche Sprache. Erste Hochrechnungen deuten darauf hin, dass Mitsotakis anders als Tsipras, der nach seinem Wahlsiegen im Januar und September 2015 auf einen rechtspopulistischen Koalitionspartner angewiesen war, sogar mit absoluter Mehrheit wird regieren können. Er wird sein ehrgeiziges Reformprogramm also nicht durch Zugeständnisse an politische Partner verwässern müssen – aber auch niemanden neben sich beschuldigen können, wenn seine Pläne nicht wie erhofft aufgehen. Mitsotakis hat sich viel vorgenommen, zu viel vielleicht für nur eine Legislaturperiode von vier Jahren – aber er hat ein klares Mandat bekommen.

          Kommt die Schuldenfrage wieder auf den Tisch?

          In Griechenland wird durch den Wahlausgang auch ein Stück Familiengeschichte fortgeschrieben. Denn es war Konstantinos Mitsotakis, der 2017 verstorbene Vater des künftigen griechischen Ministerpräsidenten, der als Regierungschef zwischen 1990 und 1993 erstmals versucht hatte, Griechenlands Wirtschaft zu reformieren und den Staat zu modernisieren. Aus heutiger Sicht war einer seiner bemerkenswertesten Sätze als Regierungschef eine Warnung, die damals kaum gehört verhallte: „Es kann nicht sein, dass wir so weitermachen und mehr ausgeben als das, was wir verdienen“, hatte Konstantinos Mitsotakis gesagt und gemahnt, bleibe ein Kurswechsel aus, müssten die Griechen eines Tages „wie Bettler“ den Internationalen Währungsfonds um Hilfe bitten.

          So sollte es im Jahr 2010  tatsächlich kommen, doch zu Beginn der neunziger Jahre wollte das in Griechenland kaum jemand hören. Die griechische Gesellschaft war noch nicht bereit für eine liberale Reformpolitik, wie Konstantinos Mitsotakis sie anstrebte. Sein Machtverlust nach nur drei Jahren war eine Folge davon, auch wenn es damals vordergründig um den „Namensstreit“ mit Mazedonien ging.

          Ein Vierteljahrhundert später kann sein Sohn nun unter günstigeren Umständen an das Werk des Vaters anknüpfen. Die Jahre der Krise haben viele vermeintliche Gewissheiten in Griechenland erschüttert. Nicht zuletzt jene, dass sich das Land unbegrenzt verschulden könne. Die Zeiten, da viele Griechen gegen jene noch so kleine Reform auf die Straße gingen und Gewerkschaften sich selbst der Behebung offensichtlichster Mängel verweigerten, sind vorbei. Nach dem Irrweg, den Griechenland nicht erst unter Tsipras betreten hatte, kann es unter Mitsotakis auf einen Ausweg hoffen.

          Aber auch der wird lang und steinig sein – und könnte die Europäer neues Geld kosten. Denn Kyriakos Mitsotakis hat angekündigt, dass er nach einigen Strukturreformen zu Beginn seiner Amtszeit an die anderen Regierungschefs der Eurozonenländer herantreten und sie auffordern will, die seinem Land auferlegten Primärüberschüsse zu senken. Das sind Haushaltsüberschüsse ohne Berücksichtigung der Zinslasten für die Schuldentilgung – und solche Überschüsse erwirtschaftet Griechenland seit einigen Jahren tatsächlich.

          Die Luft wird abgeschnürt

          Um seine Schulden nach dem von den Europäern errechneten Modell abbauen zu können, müsste das auch noch viele Jahre so bleiben. Tsipras hat die hohen Primärüberschüsse durch exzessive Besteuerung sowie eine drastische Reduktion öffentlicher Ausgaben und Investitionen erreicht. Mitsotakis warnt, die hohe Steuerlast schnüre der griechischen Wirtschaft die Luft ab und hindere sie daran, zu wachsen. Deshalb will er die Primärüberschüsse senken. Dann könnte Griechenland jedoch seine Schuldenlast, deren Tilgung ohnehin schon stark gestreckt und um Jahrzehnte in die Zukunft verlegt wurde, nicht wie geplant abbauen. Anders gesagt: Die Steuerzahler anderer Mitgliedsländer der Eurozone müssten einspringen – und das dürfte politisch auf Widerstand stoßen.

          Als Mitsotakis 2016 Parteichef der konservativen Nea Dimokratia wurde, herrschte in seiner Umgebung dennoch Optimismus. Man glaubte offenbar, es werde für Mitsotakis nicht zuletzt in Berlin so etwas wie einen politischen Rabatt geben, da er schließlich, anders als Tsipras, der gleichen politischen Parteienfamilie wie die Kanzlerin angehört. Doch es wäre schwer zu vermitteln, weshalb Mitsotakis ein solcher Rabatt eingeräumt werden sollte. Was für Tsipras galt, muss auch für seine Nachfolger gelten.

          Michael Martens
          Korrespondent für südosteuropäische Länder mit Sitz in Wien.

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