
Kolumbianische Stadt Medellín : Das Wunder der Comuna 13
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Wie fast überall im Land, so hatte der Staat in weiten Teilen Medellíns, der zweitgrößten Stadt des Landes, längst aufgehört zu existieren - wenn es ihn überhaupt je gegeben hatte. Seit dem „violencia“ genannten Bürgerkrieg zwischen „Konservativen“ und „Liberalen“ des Jahres 1948 und der neuerlichen Eskalation der Gewalt in den sechziger Jahren hatten hunderttausende Flüchtlinge und Vertriebene die Stadt förmlich explodieren lassen. Illegale Siedlungen schossen auf einer Bergflanke nach der anderen wie Pilze aus dem Boden oder wucherten wie Krebsgeschwüre zwischen den Bürotürmen und Fabrikhallen der Stadt, die für ihre milden Temperaturen ebenso berühmt ist wie die „paisas“ genannten Einwohner der Region für ihre Geschäftstüchtigkeit berüchtigt.
Pablo Escobar konnte als „paisa Robin Hood“ in den achtziger Jahren von Medellín aus sein Rauschgiftimperium aufbauen und mit Kokainschmuggel in die Vereinigten Staaten Milliarden verdienen - und zugleich für die „Liberalen“ als Abgeordneter in den kolumbianischen Kongress einziehen. Mit seinem „Medellín-Kartell“ hatten sich viele Unternehmer, Banker, Großgrundbesitzer und Repräsentanten der traditionellen Parteien genauso arrangiert, wie sie sich mit dem Elend in den „comunas“ noch lange abfinden sollten.
Die paramilitärischen Kräfte drehten den Spieß um
Als das Kartell in den frühen neunziger Jahren endgültig zerschlagen war, keimte Hoffnung auf. Die Mordrate sank. Escobar wurde von Soldaten gestellt und erschossen. Doch das Blatt sollte sich wieder wenden. Rivalisierende Guerrilla-Milizen füllten nach und nach das Vakuum, das Escobar hinterließ. Bald terrorisierten sie nicht nur die Landbevölkerung, sondern errichteten auch in den Elendsvierteln Medellíns ihre Schreckensherrschaft. Wieder drehte sich die Spirale der Gewalt, und die Drogen-Terroristen wurden so mächtig wie nie. In vielen Städten erstarb jedes öffentliche Leben, an Reisen über Land war nicht mehr zu denken.
Bis Alvaro Uribe kam. Die Soldaten, die mit Polizisten und anderen Sicherheitskräften die Comuna 13 Gasse um Gasse und Haus um Haus durchkämmten, hielten noch an sich - schließlich nahm Uribe die Kampfhandlungen höchstpersönlich in Augenschein. Doch im Schutz und wohl auch mit Wissen des Militärs, wenn nicht des Präsidenten, drehten die paramilitärischen Kräfte den Spieß um. Wer in der Comuna 13 auch nur in den Verdacht geriet, Guerrillero zu sein oder mit den Terroristen gemeinsame Sache zu machen, der bekam es fortan mit „Don Berna“ und seinem „Bloque Cazique Nutibara“ zu tun. Er landete in der Deponie.
Hoffnung ist das bestimmende Lebensgefühl
Im Tal, unweit der S-Bahn-Haltestelle San Javier wurde vor zwei Jahren die „Casa de Justicia y de Gobierno“ eröffnet, eine Art Bezirksrathaus. Als wolle die Stadtverwaltung die Comuna 13, wie alle anderen Elendsviertel, nie mehr sich selbst und dem Teufelskreis der Gewalt überlassen, steht gegenüber der „Casa“ eine jener Sekundarschulen, die es mit jedem Colegio in den reichen Vorstädten wie El Poblado oder Envigado aufnehmen können. Dasselbe gilt für die mehr als 350 Kindergärten, die Zug um Zug in den ärmsten Stadtvierteln gebaut wurden, seit Sergio Fajardo im Jahr 2004 das Machtmonopol der traditionellen Parteien brach.