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Katholische Kirche : Mehr Schmerzensgeld für Missbrauchsopfer

Am ersten Tag der Deutschen Bischofskonferenz im Mainzer Dom Bild: Getty

Die Deutsche Bischofskonferenz hat sich auf ein höheres Schmerzensgeld für Opfer von sexuellem Missbrauch verständigt. Doch aus den Reihen der Betroffenen gibt es Kritik.

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          Unter den vielen Erkenntnissen, die das Forschungsprojekt „Sexueller Missbrauch an Minderjährigen durch katholische Priester, Diakone und männliche Ordensangehörige im Bereich der Deutschen Bischofskonferenz“ im September 2018 zu Tage förderte, war auch diese ein Schlag in das Gesicht der Betroffenen: Die „Leistungen in Anerkennung des Leids, das Opfern sexuellen Missbrauchs zugefügt wurde“, welche die Deutsche Bischofskonferenz (DBK) 2011 beschlossen hatten, waren weit hinter allen Erwartungen zurückgeblieben. Wissenschaftlich gesprochen: Die Analyse dieses Verfahrens zeigte vor allem die „Heterogenität in der Anwendung dieses von der katholischen Kirche selbst hervorgehobenen Instruments der Aufarbeitung des Missbrauchs über die Diözesen hinweg“.

          Daniel Deckers
          in der politischen Redaktion verantwortlich für „Die Gegenwart“.

          Unter dem Eindruck der Enthüllungen im Jahr 2010 über Missbrauch in kirchlichen Einrichtungen waren die Bischöfe ein Jahr später übereingekommen, Betroffenen „materielle Leistungen“ anzubieten. Dies galt vor allem dann, wenn sie wegen einer eingetretenen Verjährung ihres Falles keinen Anspruch auf Schadenersatz oder Schmerzensgeld hatten, den sie vor staatlichen Gerichten hätten durchsetzen können. In der Regel sollten sie 5000 Euro erhalten, in begründeten Fällen auch Therapiekosten übernommen werden.

          Keine einheitlichen Kriterien

          Alles freilich nur auf Antrag. Acht Jahre später kamen die Autoren der sogenannten MHG-Studie um den Mannheimer Psychiater Harald Dressing zu einem vernichtenden Ergebnis: „Nicht nur die Bewilligungen von Leistungen und die entsprechenden Zahlungen, sondern auch die Plausibilitätsprüfungen von Beschuldigten folgten seitens der Diözesen heterogenen Verfahrensweisen“, hieß es in dem Forschungsbericht. Im Klartext: Selbst wenn ein Betroffener seine Rechte geltend machte, hing es von dem jeweils zuständigen Bischof und dessen Verwaltung ab, ob und wie man ihm Gerechtigkeit widerfahren ließ. Denn die Maßstäbe bei der Beurteilung der Fälle variierten unter den 27 Bistümern genauso wie die Höhe der Zahlungen.

          Selbst über die Anzahl derer, die sich überhaupt diesem Verfahren ausgesetzt hatten, lagen seitens der Deutschen Bischofskonferenz keine belastbaren Angaben vor. Je nach Erhebungsmethode kam man 2018 bei annähernd 3700 offiziell Betroffenen auf 821 oder 924 Personen, an die insgesamt etwa 5,5 Millionen Euro ausgezahlt worden seien. Kurzum: „Die Befunde weisen auf eine verbesserungsfähige und zu vereinheitlichende Dokumentation dieses für die katholische Kirche zentralen Verfahrens hin. Vor allem aber lassen die Ergebnisse auf unterschiedliche Strategien und auf eine voneinander abweichende Intensität der Aufarbeitung in den einzelnen Diözesen schließen.“

          Entschädigungen bis zu 400.000 Euro

          Die Bischöfe gelobten unter dem Eindruck dieser und vieler anderer vernichtender Erkenntnisse Besserung. Der Missbrauchsbeauftragte der DBK, der Trierer Bischof Stephan Ackermann, setzte eine Arbeitsgruppe ein, in der als Betroffener der Sprecher der Gruppe „Eckiger Tisch“, Matthias Katsch, mitwirkte. Im September 2019 lagen die Verbesserungsvorschläge vor. Doch ehe sich die Herbst-Vollversammlung der Bischofskonferenz ein genaues Bild machen konnte, wurden sie von Ackermann der Öffentlichkeit präsentiert. Die Rede war von einer pauschalen Entschädigungsleistung in Höhe von 300.000 Euro oder einem Stufenmodell mit Beiträgen zwischen 40.000 und 400.000.

          Wieder war die Empörung groß, wenngleich diesmal nicht auf Seiten derer, die sich zum Sprecher der Betroffenen gemacht hatten. Die Ordensgemeinschaften, aus deren Reihen zahlreiche Täter kamen und kommen, waren ebenso wenig in die Überlegungen einbezogen worden wie die Evangelische Kirche. Juristen gaben zu bedenken, dass sich die kirchlichen Summen weit jenseits dessen bewegen würden, was staatliche Gerichte Betroffenen an Schmerzensgeld zusprachen.

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