PiS-Chef Kaczynski : „Es gilt, dass Frau Merkel für uns das Beste wäre“
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Jaroslaw Kaczynski in seinem Arbeitszimmer im Parteibüro der polnischen Regierungspartei PiS in Warschau Bild: Matthias Lüdecke
Warum der einflussreiche polnische PiS-Chef Kaczynski sich eine europäische Atommacht wünscht und einen Sieg Merkels und wieso er gegen Schulz ist. Das F.A.Z.-Interview zum Nachlesen.
Herr Kaczynski, an diesem Dienstag treffen Sie Angela Merkel. 2011 haben Sie ihr noch vorgeworfen, sie baue antipolnische Achsen nach Moskau, kürzlich dagegen haben Sie ihr Erfolg bei der Bundestagswahl gewünscht.
2011 war die Lage anders. Es gab noch keinen Krieg in der Ukraine. Es gilt, dass Frau Merkel für uns das Beste wäre. - Vor allem jetzt, wo Herr Schulz gegen sie antritt.
Was ist so schlimm an Schulz?
Zuallererst sein Hang zu Russland. Außerdem sollten Leute, die wichtige Funktionen anstreben, sich im Griff haben. Herr Schulz aber ist berühmt für Unbeherrschtheit, für Angriffe, für Geschrei. Er ist ein linker Ideologe. Frau Merkel hat sich nie so antipolnisch geäußert wie er.
Sie meinen die Episode, als er im Streit um das polnische Verfassungsgericht von „Putinisierung“ sprach.
Und dann diese Beschlüsse, die das Europaparlament unter seinem Vorsitz gefasst hat. Zu Gender-Fragen zum Beispiel.
Zurück zu Merkel: Sie baut also keine „Achsen nach Moskau“ mehr?
Der Krieg in der Ukraine hat die Lage verändert. Merkel unterstützt die Sanktionen gegen Russland. Auch dass Deutschland Soldaten an die Ostflanke der Nato entsendet, ist positiv.
Letztlich aber will Merkel ein „Europa mit verschiedenen Geschwindigkeiten“. Soll Polen abgehängt werden?
Die Idee eines Europas unterschiedlicher Geschwindigkeiten und Ähnliches kommt immer wieder und verschwindet dann. - Zurzeit nehmen wir das nicht ernst.
Beunruhigt es Sie, dass Donald Trump sagt, die Nato sei „obsolet“?
Präsident Trump sagt verschiedene Dinge. Der neue Verteidigungsminister, James Mattis, wird aber die Nato sicher nicht abschaffen. Ob ich über Trumps Worte beunruhigt bin? - Das wäre nicht das richtige Wort. Manches ist unklar, aber er hat einen Vorzug: Er mischt sich nicht in die Angelegenheiten anderer Länder ein.
Anders als Barack Obama, der den Zustand des Rechtsstaats in Polen kritisiert hat.
Damals saß dort, wo Sie jetzt sitzen, immer wieder der amerikanische Botschafter, und die Gespräche waren, milde gesagt, nicht leicht. Heute aber scheint Amerika sich für die inneren Angelegenheiten unseres Landes nicht zu interessieren, und das ist gut so.
Trump hat den Brexit gelobt und den Austritt weiterer EU-Länder angekündigt. Kommt damit die Lage von 2003 wieder, als das „neue Europa“ im Osten vor der Wahl stand, entweder Amerika zu folgen oder der „alten“ EU?
Ich hoffe nicht. Aber ich bin kein Seher. Die EU jedenfalls war ein Erfolg, bis zwei schwere Fehler gemacht wurden: beim Vertrag von Lissabon und in der Flüchtlingskrise. Wenn die EU überleben soll, muss sie deshalb grundlegend reformiert werden.
Der Vertrag von Lissabon wurde 2007 von Ihrem Bruder, dem verstorbenen Präsidenten Lech Kaczynski, mit Ihrer Billigung unterzeichnet.
Wir hatten keine Wahl. Frau Merkel wollte den Vertrag gegen uns durchsetzen, da mussten wir uns auf begrenzte Zugeständnisse konzentrieren. Im Licht der Verantwortungsethik Max Webers war der Kompromiss nötig.
Sie zitieren deutsche Denker?
Durchaus. Carl Schmitt hat Politik sehr realistisch beschrieben, obwohl man moralische Bedenken haben kann oder sogar haben muss.
Der Theoretiker der Feindschaft.
Nein, nein. An Schmitt interessiert mich, dass er Politik realistisch sieht. Vielleicht war nur Machiavelli da noch besser. Bei ihnen geht es um die Welt, wie sie ist - manchmal sehr brutal, manchmal weniger. Aber ich teile nicht alle Ansichten Schmitts.
Zur Aufnahme von Flüchtlingen, welche Ihr Land verweigert, will ich Ihnen als einem bekennenden Christen ein Zitat vorlegen: „Ich war fremd und obdachlos, und ihr habt mich aufgenommen.“ Sie wissen, wer da spricht?