Streit um Justizreform : Das besondere Verhältnis zwischen Biden und Netanjahu
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Israels Premierminister Benjamin Netanjahu und US-Präsident Joe Biden Bild: AP
Die umstrittene Justizreform ist auch eine Belastungsprobe für die Beziehungen des amerikanischen Präsidenten und des israelischen Regierungschefs. Vorerst zeigt sich Washington zufrieden.
Joe Biden und Benjamin Netanjahu haben das, was man eine belastbare Beziehung nennt. Die durch die geplante Justizreform der rechtsgerichteten Regierung ausgelöste Krise in Israel stellt allerdings einen besonderen Test für die beiden dar. Schließlich geht es nicht um eine außenpolitische Kontroverse beziehungsweise um den Umgang mit den Palästinensern, sondern um innere Angelegenheiten des Staates Israel. Dass Netanjahu sich am Ende dem Druck beugte und die Justizreform verschob, ist in erster Linie auf den Druck im eigenen Land zurückzuführen. Doch auch der amerikanische Präsident spielte eine Rolle.
Biden konnte den Versuch, die Kompetenzen des Obersten Gerichtshofs in Israels zu beschneiden, nicht ignorieren. Das amerikanische Judentum, das sich seit Jahren mit der Politik des Staates Israels schwertut, ist ein gewichtiger Teil der Wählerschaft der Demokraten. Die Bildung der rechtsgerichteten Regierung unter Netanjahu verstärkte die Entfremdung.
Biden hat es sich zudem zur Aufgabe gemacht, nicht nur die Spaltung im eigenen Land nach der Trump-Ära zu überwinden, sondern auch die liberalen Demokratien gegen populistische und autoritäre Gefahren zu wappnen. Am Mittwoch soll ein weiterer virtueller „Demokratie-Gipfel“ mit 121 Staaten abgehalten werden, an dem Netanjahu teilnehmen wollte. Würde es die Glaubwürdigkeit des amerikanischen Präsidenten beschädigen, wenn der israelische Ministerpräsident dabei das Wort ergreift? Biden musste also Stellung beziehen, auch wenn dies hieß, sich in die israelische Innenpolitik einzumischen.
USA zeigten sich „sehr besorgt“
Am Montag zeigte sich die amerikanische Regierung zunächst sehr zugeknöpft. Als John Kirby, der Sprecher des Nationalen Sicherheitsrats, sich am Morgen den Fragen der Presse stellte, wollte er die Meldung, dass Netanjahu sich entschlossen habe, die strittige Reform zu verschieben, noch nicht bestätigen. Man müsse die Entwicklung abwarten, sagte er. Karine Jean-Pierre, die Sprecherin des Weißen Hauses, lobte dann später Netanjahus Ankündigung. Sie gebe mehr Zeit für die Suche nach einem Kompromiss.
Am Sonntag hatte das Weiße Haus noch mitgeteilt, man sei angesichts der Ereignisse in Israel „sehr besorgt“. Die Massenproteste unterstrichen die „dringende Notwendigkeit“, einen Kompromiss zu finden. Das Weiße Haus erinnerte daran, dass Biden Netanjahu Mitte März in einem Telefonat gesagt habe, dass Amerikaner beider politischen Lager beunruhigt seien über Teile der Reform. Er drängte ihn, notwendige Kompromisse zu finden, um sein Land durch diese Herausforderung zu führen.
„Demokratische Werte“ hätten stets die amerikanisch-israelischen Beziehungen gekennzeichnet – dies müsse so bleiben, hatte der Präsident weiter gesagt. Demokratische Gesellschaften würden durch „checks und balances“, das System der Kontrollen und Gegengewichte, gestärkt. Fundamentale Änderungen des demokratischen Systems sollten auf der breitest möglichen Basis der Unterstützung durch die Bevölkerung vorgenommen werden. Das war eine klare Ansage. Netanjahu aber zeigt sich vorerst unbeeindruckt.