Münchener Sicherheitskonferenz : Erfreulich im Stil, vage im Detail
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Dazu geschaltet: Joe Biden bei seiner Video-Ansprache für die Münchener Sicherheitskonferenz Bild: AP
Enthusiastisch, aber unkonkret hat sich Präsident Biden auf der Münchner Sicherheitskonferenz präsentiert. Die nüchterne Reaktion Merkels verleitete wiederum Frankreichs Präsidenten Macron zu einer Spitze gegen Berlin.
„Amerika ist zurück, die transatlantische Allianz ist zurück“ – das hat der amerikanische Präsident Biden auf der Münchner Sicherheitskonferenz gesagt. Und wenn die Konferenz nicht virtuell getagt hätte, wäre ihm dafür der erleichterte Beifall des überwiegend transatlantischen Publikums sicher gewesen. Biden versprach „hundert Prozent Engagement in der Nato“ und bekannte sich, anders als sein Amtsvorgänger, zur Beistandsgarantie. Der Präsident erinnerte daran, dass Amerika selbst es war, das erstmals die Verbündeten nach Artikel 5 des Nato-Vertrages um Beistand gebeten hatte, nämlich nach den Angriffen vom 11. September 2001. Diese gegenseitige Unterstützung im Bündnis führte auch die Bundeswehr im Jahr darauf nach Afghanistan, wo sie bis heute mit Truppen engagiert ist.
Biden versprach eine enge Zusammenarbeit mit Europa; Partnerschaft sei die „Grundlage für alles, was wir erreichen wollen“. Gerade mit Bezug auf Afghanistan war davon in den vergangen Jahren nichts mehr zu spüren. Ungefähr zur Zeit der vorigen Münchner Sicherheitskonferenz hatte die Trump-Regierung in geheimen Verhandlungen ein Abkommen mit den aufständischen Taliban ausgehandelt. Europa hatte die Ergebnisse ebenso zu schlucken, wie die afghanische Zentralregierung in Kabul. Ein Abzug wurde ausgehandelt und großenteils schon umgesetzt, dessen Voraussetzungen die Taliban nicht erfüllen. Statt Frieden und Ausgleich zu suchen, attackieren sie immer heftiger die afghanische Polizei und Armee. Fachleute warnen vor einer bevorstehenden „Frühlings-Offensive“, die ab April auch die Kräfte der internationalen „Resolute Support“-Koalition treffen könnte.
Bei seiner Rede zur Sicherheitskonferenz machte Biden klar, dass sein Land den diplomatischen Prozess unterstützen werde; die Regierung werde „sicherstellen, dass Afghanistan nie wieder ein Rückzugsort für Terroristen wird“. Das allerdings ist noch eine vage Aussage, die nicht über das hinausging, was der amerikanische Verteidigungsminister Lloyd Austin beim Nato-Treffen mit seinen Kollegen gesagt hatte. Ob Amerika in Afghanistan bleibt, vielleicht sogar seine ausgedünnten Truppen wieder verstärkt, sagte er nicht. Unklar bleibt, ob Washington bereit ist, künftige Wahlen abzusichern und damit der Demokratie eine Chance zu geben. Oder ob Biden sich darauf beschränkt, nach einem vollständigen Abzug potentielle Terroristen mit Drohnenangriffen und Marschflugkörpern von außen anzugreifen.
„Es gibt nichts Gutes, außer man tut es“
Bundeskanzlerin Angela Merkel jedenfalls unterbreitete ein klares Angebot: „Deutschland ist bereit, auch länger in Afghanistan zu bleiben, wenn es dazu dient, den demokratischen und den friedliebenden Kräften eine Chance zu geben.“ Eine Verlängerung, eventuell sogar Verstärkung des deutschen Engagements von derzeit bis zu 1300 Soldatinnen und Soldaten ist damit der Weg gebahnt. Verstärktes Engagement scheint auch im Irak und in Teilen Syriens nötig. Biden kündigte an, Amerika werde ein Erstarken des „Islamischen Staates“ nicht hinnehmen. Auch Merkel zählte den islamistischen Terror zu den Herausforderungen, etwa im Sahel. Doch statt – wie es eine Weile erwogen wurde – Frankreich stärker dabei zu unterstützten, beließ sie es bei Worten der Anerkennung für Paris. Deutschland habe sich „in den letzten Jahren sehr viel stärker in Afrika engagiert, auch wenn wir sehen, dass Frankreich die allermeisten Lasten trägt“. Daran etwas zu ändern, kündigte Merkel nicht an.
Auch ansonsten blieb die Bundeskanzlerin recht zurückhaltend, was vielleicht schon der Tatsache geschuldet ist, dass sie selbst ihr Amt bald verlassen wird. Dem Enthusiasmus, der aus Bidens Rede sprudelte, begegnete sie jedenfalls nüchtern: „Es gibt nichts Gutes, außer man tut es.“
Biden unterließ es fürs erste, Deutschland an seine ungenügenden Beiträge zum Bündnis zu erinnern. Er versprach, den von Trump als Bestrafung gedachten amerikanischen Truppenabzug aus Deutschland aufzuhalten. Merkel hingegen bot nicht mehr, als dass man das Ausgabenziel von zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Verteidigungsausgaben im Blick habe und sich anstrengen werde. An ihre Landsleute gerichtet schien die Mahnung, man müsse dazu auch über den eigenen Schatten springen. Das war weit entfernt vom verteidigungspolitischen Programm, das Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) erst vor anderthalb Wochen vorgelegt hat. In dem hieß es, notwendig sei, dass Deutschland „mehr tut und mutig in Führung geht“.
Macrons Spitze gegen Merkel
Was andere Konfliktherde betraf, so wurde Biden vor allem in Sachen Russland konkreter. „Der Kreml greift unsere Institutionen an und versucht, unsere Demokratien zu untergraben. Präsident Putin will das europäische Projekt schwächen, auch unser Nato-Bündnis.“ Russland versuche immer wieder, einzelne Staaten „zu mobben“. Die Herausforderungen seien anderer Art als jene, die von China ausgehen, „aber sie sind echt, sie sind real“. Das klang, als beginne Biden, eine rote Linie in den Sand zu zeichnen. Das wäre eine gute Nachricht vor allem für diejenigen Mittel-und Osteuropäer, die russischen Attacken aus dem Netz ausgesetzt sind, für sie Teil einer neuartigen Kriegsführung. Dass Amerika helfen möge, klang auch in Bemerkungen Merkels zur Ukraine an. Denn das „Minsk-Format“, dass der Versuch war, innereuropäisch den Ukraine-Konflikt zu lösen, brachte wenig Fortschritte. Russland, so konstatierte auch Merkel, „verwickelt immer wieder Staaten der EU in hybride Auseinandersetzungen“. Biden kündigte an: „Wir müssen das russische Verhalten im Internet auf der ganzen Welt angehen.“
Neben China bleibt also Russland ein Rivale, ein Gegner. Doch während Berlin und Washington das ziemlich ähnlich sehen, hob Frankreichs Präsident Emanuel Macron einen anderen Aspekt hervor und sagte in seiner Rede: „Wir brauchen einen Dialog mit Russland, das ist unerlässlich, damit wir in Frieden leben können.“ Macron bekannte sich zur Nato, stärker als zuletzt, als er das Bündnis noch als „hirntod“ bezeichnet hatte. Seine Vorstellungen von strategischer Autonomie der Europäer würden die Nato stärken, sagte er. Das sehen nicht alle so. Doch in Sachen Taten hat Frankreich auch etwas vorzuweisen, Macron erwähnte es: „In den nächsten Monaten werden wir das Zwei-Prozent-Ziel erreichen, wir können so zeigen, dass wir verlässliche und verantwortungsvolle Partner sind.“ Das musste man fast als Spitze gegen Berlin verstehen. Hatte nicht Merkel selbst gesagt, es gebe nichts Gutes, außer dem, was man tue?
Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg sagte später in seiner Münchner Rede: „Wir haben jetzt eine historische Gelegenheit, eine stärkere Allianz zu schaffen.“ Doch was darunter zu verstehen sei, das blieb bei der Sicherheitskonferenz im Ungefähren. Immerhin, Amerika ist zurück. Für Großbritannien, das im vorigen Jahr mit keinem einzigen ranghohen Sicherheitspolitiker in München vertreten war, sprach diesmal Premierminister Boris Johnson. Seine Rede glich allerdings mehr einer britischen Betrachtung im Spiegel eigener Illusionen.
Dennoch war das Münchner Treffen ein Ort neuer Einigkeit des Westens, das traurige Motto des vorigen Jahres – „Westlessness“ – wollten alle, die an Bildschirmen versammelt waren, hinter sich lassen. „Es gibt sehr viel zu tun. Deutschland steht für ein neues Kapitel der transatlantischen Partnerschaft bereit“, versprach Bundeskanzlerin Merkel. Für die nötigen Mittel, dieser Zusage etwa bei der Ausstattung der Streitkräfte und gemeinsamer europäischer Verteidigungsanstrengungen Taten folgen zu lassen, ist sie nicht mehr zuständig.