Nato-Chef Stoltenberg : Coronavirus testet Widerstandskraft „bis an die Grenze“
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Fliegt noch: Ein polnisches Kampfflugzeug vom Typ F-16 hebt zur Luftraumüberwachung von Rigaer Flughafen ab. Bild: Reuters
Die Allianz bleibe weiter einsatzbereit, sagt Nato-Generalsekretär in einer Videokonferenz. Seine größte Sorge in der neuartigen Krise gilt den Wehretats.
Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg hat die Einsatzbereitschaft der Allianz bekräftigt, obwohl das Coronavirus die Widerstandskraft der Verbündeten „bis an die Grenze“ teste. „Unsere Kräfte bleiben einsatzbereit und unsere Arbeit geht weiter“, sagte Stoltenberg, als er am Donnerstag seinen Jahresbericht vorstellte; erstmals in einer Videokonferenz. Das gelte für die multinationalen Kampfverbände, die in den baltischen Staaten stationiert sind, für die Luftraumüberwachung dort, für die Seeverbände und alle Missionen von Afghanistan bis zum Kosovo. Allerdings mussten Übungen abgesagt oder verkürzt werden, insbesondere das Großmanöver „Defender 2020“. Stoltenberg sprach von einer „Krise, die es nie gegeben hat“.
Bisher wurden aus den Einsätzen keine Erkrankungsfälle gemeldet. Die Soldaten sind in der Regel auf engem Raum untergebracht und können die empfohlenen Abstandsregeln nicht einhalten. Stoltenberg verwies aber darauf, dass sie „Disziplin gewöhnt sind“. Der Nato-Oberbefehlshaber für Europa, der amerikanische General Tod Walters, hatte am Mittwoch den Nato-Rat darüber unterrichtet, dass die Allianz trotz der Pandemie einsatzfähig bleibe. Im Brüsseler Hauptquartier der Allianz wurde vor zehn Tagen der erste Mitarbeiter positiv auf das Virus getestet; er hatte sich offenbar im Italien-Urlaub infiziert. Danach schickte die Allianz alle Mitarbeiter nach Hause, deren Präsenz im Hauptquartier nicht unbedingt erforderlich ist. Die hohe Zahl von Sitzungen wurde drastisch vermindert. Ob das im April geplante Außenministertreffen in Brüssel stattfinden kann, ließ Stoltenberg offen; darüber sei noch nicht endgültig entschieden worden.
Der Nato-Generalsekretär ließ erkennen, was seine größte Sorge ist: dass die Mitgliedstaaten wegen der jetzigen Krise ihre Verteidigungsausgaben wieder zurückfahren. Es sei klar, dass die Corona-Krise „ernsthafte wirtschaftliche Auswirkungen“ auf die Staatshaushalte habe. Er erwarte aber, dass die Alliierten an dem Ziel festhielten, „mehr in Sicherheit zu investieren“, um sich in einer unsichereren Welt wechselseitig zu schützen. Die militärische Bedrohungslage habe sich nicht verändert. Er sei zuversichtlich, dass die EU-Staaten verstünden, wie wichtig es sei, in militärische Infrastruktur zu investieren. Das bezog sich auf die laufenden Verhandlungen über den langfristigen EU-Haushalt. In denen war ein für „militärische Mobilität“ vorgesehener Fonds zuletzt komplett gestrichen worden – nach dem Vorschlag der EU-Kommission sollte er mit 6,5 Milliarden Euro ausgestattet werden.
Gemäß dem Jahresbericht der Allianz haben 2019 neun von 29 Mitgliedstaaten das angestrebte Ziel erreicht, zwei Prozent ihrer Wirtschaftsleistung für Verteidigung aufzuwenden. Neben Amerika waren das nach der Höhe der Ausgaben: Bulgarien, Griechenland, das Vereinigte Königreich, Estland, Rumänien, Litauen, Lettland und Polen. Deutschland kam auf 1,38 Prozent; die Ausgaben stiegen um fünf auf 55 Milliarden Dollar. Die Vereinigten Staaten wendeten 730 Milliarden Dollar auf, zwei Drittel der gesamten Ausgaben in der Nato.