Gefährliche Raketen : Japan stoppt Stationierung von Amerikas Aegis-System
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Japans Verteidigungsminister Taro Kono nach der Besichtigung eines Aegis-Ashore-Raketenabwehrsystems der amerikanischen Marine auf der Insel Kauai Bild: AP
Aus Angst vor einem Raketenangriff Nordkoreas beschloss die japanische Regierung 2017 die Stationierung von Amerikas „Aegis Ashore“. Jetzt stoppte sie das Projekt. Das könnte Trump verärgern.
In einer überraschenden Wendung hat Japan die Arbeiten für die mehr als vier Milliarden Dollar teure Stationierung des landgestützten Raketenabwehrsystems „Aegis Ashore“ ausgesetzt. Die Entscheidung wirft nicht nur einen Schatten auf die Arbeit des Verteidigungsministeriums in Tokio, sondern könnte auch die japanisch-amerikanischen Beziehungen belasten. Die japanische Regierung hatte bislang argumentiert, dass die Installation des vom amerikanischen Unternehmen Lockheed Martin entwickelten Systems unerlässlich sei, um Japan vor einem möglichen Raketenbeschuss durch Nordkorea zu schützen.
Verteidigungsminister Taro Kono begründete den Stopp der Arbeiten mit technischen Schwierigkeiten und ausufernden Kosten. Er deutete an, dass „Aegis Ashore“ keine Chance mehr habe. Es sei nicht rational, die notwendigen Änderungen an dem Raketenabwehrsystem zu entwickeln, sagte Kono. Der Grund für die Einstellung der Arbeiten sind technische Unvollkommenheiten. Derzeit kann nicht ausgeschlossen werden, dass ein Hilfstriebwerk der Abfangraketen auf besiedeltes Land im Umfeld der Stützpunkte herabfällt.
Um dieses Risiko auszuschließen sind nach Aussage Konos Änderungen der Software und der Abfangraketen notwendig, die nach einer Schätzung weitere 1,9 Milliarden Dollar und bis zu zehn Jahre in Anspruch nehmen könnten. Die Kosten waren zunächst mit umgerechnet 2,1 Milliarden Dollar angesetzt. Zuletzt wurden sie einschließlich langfristiger Stationierungskosten mit mehr als vier Milliarden Dollar veranschlagt. Der Kaufvertrag mit den Vereinigten Staaten beläuft sich nach Angaben Konos auf 1,7 Milliarden Dollar.
Japans Ministerpräsident Shinzo Abe hatte die Stationierung des Raketenabwehrsystems im Herbst 2017 mit einer zweifachen Zielrichtung angestoßen. Damals hatte Nordkorea zwei Raketen über der japanischen Insel Hokkaido in den Pazifik geschossen. Die Drohgebärde rief in der Bevölkerung Besorgnis hervor. Präfekturen in ganz Japan führten Zivilschutzübungen für den Fall eines Raketenangriffs durch. Die Installation des landgestützten Aegis-Systems sollte den bisherigen Schutzschild gegen feindliche Raketen ergänzen.
Zugleich aber diente der Kauf des Systems der Beschwichtigung des amerikanischen Präsidenten Donald Trump, der von Japan einen größeren Verteidigungsbeitrag forderte. „Es ist sehr wichtig, dass der Ministerpräsident von Japan große Mengen von militärischem Gerät kauft, wie er es sollte“, sagte Trump im November 2017 während eines Besuchs in Tokio. Abe hatte mit dem Kauf des Raketenabwehrsystems auch weitergehende Forderungen Trumps zum Ausgleich der Handelsbeziehung zwischen beiden Ländern abgewehrt.
Beobachter in Tokio spekulieren über die Folgen der Stilllegung des Projekts für die Beziehungen zu Amerika. Die amerikanische Regierung könnte bei den bald wieder anstehenden Verhandlungen über die Kosten der Stationierung amerikanischer Truppen in Japan nun härtere Forderungen stellen, ist die eine Meinung. Andere Beobachter halten es für möglich, dass Japan mit der Aussetzung der Arbeiten seine Verhandlungsposition gegenüber Amerika verbessern wolle. Japans Raketenabwehr stützt sich derzeit auf sieben Aegis-Abwehrsysteme auf Schiffen der Selbstverteidigungskräfte, die in den Gewässern zwischen Japan und Korea kreuzen. Ein achter Aegis-Zerstörer soll im kommenden Jahr in Betrieb genommen werden.