„Habe nicht mehr genug im Tank“ : Neuseelands Regierungschefin kündigt überraschend Rücktritt an
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„Lass uns endlich heiraten“: Ardern und ihr Partner Clark Gayford nach der Rücktrittsankündigung Bild: AP
Jacinda Ardern hat ihr Land durch etliche Krisen geführt. Jetzt will sie sich überraschend aus der Politik zurückziehen. „Für mich ist es Zeit“, sagt sie.
Neuseelands Ministerpräsidentin ist mehrmals den Tränen nah, als sie vor die Presse tritt. Sie ist sich bewusst, dass ihr Rücktritt in ihrer Heimat und darüber hinaus Schockwellen auslösen wird. Deshalb geht sie die Sache behutsam an: Politiker sollten wissen, wann es Zeit ist, aufzuhören, sagt Jacinda Ardern. „Wir geben alles, so lange wir können, bis es Zeit ist.“
„Für mich ist es Zeit“, sagte die 42 Jahre alte Politikerin am Donnerstag im Anschluss an ein Treffen mit der Labour Party. Ihren Rücktritt werde sie bis spätestens zum 7. Februar einreichen, oder sobald ihre Partei sich auf einen Nachfolger geeinigt hat. Dieser wird die Partei dann auch an ihrer Stelle als Spitzenkandidat in die Wahl führen, die Ardern für den 14. Oktober angesetzt hat. Zur Nachfolgeregelung wird die Partei schon am kommenden Sonntag ein erstes Treffen abhalten.
In Details, welche Überlegungen zu ihrem Entschluss geführt haben, geht Ardern in ihrer Rücktrittsrede nicht. Aber sie lässt anklingen, dass sie sich der Belastung nicht mehr gewachsen fühle. „Ich weiß, was dieser Job einem abverlangt. Und ich weiß, dass ich nicht mehr genug im Tank habe, um ihm gerecht zu werden. So einfach ist das“, sagt sie. Dabei versäumt Ardern es auch nicht, einige der monumentalen Ereignisse aufzuzählen, denen Neuseeland in ihrer Regierungszeit gegenüberstand: die Terroranschläge auf zwei Moscheen in Christchurch, ein Vulkanausbruch, die globale Corona-Pandemie und die wirtschaftliche Krise in deren Folge.
Ardern weiß, dass vor allem die Art, wie sie mit diesen Herausforderungen umgegangen ist, den Menschen in Erinnerung bleiben wird: die Mischung aus Empathie und Entschlusskraft, die sie dabei an den Tag legte. Durch sie ist sie zu einer der wenn nicht beliebtesten, so doch wohl bekanntesten Politikerinnen weltweit geworden. Das ist angesichts der insularen Lage und der vergleichsweise kleinen Bevölkerung ihrer Heimat für sich eine Leistung. Dabei waren gerade Neuseelands extrem strenge Corona-Maßnahmen nicht unumstritten, haben ihre Bürger aber letztlich lange vor den schwersten Auswirkungen schützen können.
Ein Land im „Kriegszustand“
Die Ministerpräsidentin lässt in ihrer Rede auch anklingen, wie schwer das alles mitunter war. Sie vergleicht ihre Rolle mit der eines Regierungschefs für ein Land, das sich im Kriegszustand befindet: Es sei eine Sache, „in Zeiten des Friedens“ Regierungschefin zu sein. „Es ist etwas anderes, die Menschen in einer Krise anzuführen.“ Die Herausforderungen für die Gesundheit und die Wirtschaft des Landes seien wohl die schwersten seit dem Zweiten Weltkrieg. Dabei gebe sie ihr Amt nicht auf, weil es einfach nur „schwer“ sei. „Sonst hätte ich wohl schon in den ersten zwei Monaten aufgegeben“, sagt Ardern. Das wissende Lächeln, das sie dabei zeigt, lässt auf einige Anfangsschwierigkeiten schließen.
Schon ahnend, dass ihr Rücktritt Spekulationen auslösen wird, weist sie zurück, dass es im Hintergrund noch „echte“ Gründe für ihren Rücktritt geben könnte. In erster Linie dürfte damit gemeint sein, dass ihre Umfrageergebnisse mit Blick auf die anstehende Wahl längst nicht mehr so rosig aussehen, wie sie einmal waren. Demnach sahen im November 2022 nur noch 29 Prozent der Befragten in ihr die bevorzugte Ministerpräsidentin, zehn Prozentpunkte weniger als noch ein Jahr zuvor. Sie sei einfach „ein Mensch“, sagt Ardern in ihrer Rede und der anschließenden Fragerunde mit den Journalisten mehrfach. Damit spielt sie darauf an, dass an Politiker oft Ansprüche gestellt werden, die über das Menschenmögliche hinausgehen.