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Vor Neuwahl im September : Italiens Rechtsparteien schließen Wahlbündnis

Matteo Salvini, Giorgia Meloni und Silvio Berlusconi im Oktober 2021 in Rom Bild: Reuters

Die Chancen der Postfaschistin Giorgia Meloni auf das höchste italienische Regierungsamt haben sich verbessert. Silvio Berlusconi gibt seinen Widerstand auf.

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          Die Parteien des Mitte-rechts-Bündnisses haben ihren Streit um die Kandidatur für das höchste Regierungsamt beigelegt und sich zudem auf die Besetzung der Listen für die Einzelwahlkreise geeinigt. Nach mehr als vierstündigen Verhandlungen in den Fraktionsräumen des Abgeordnetenhauses einigten sich die Parteiführer Giorgia Meloni von den postfaschistischen Brüdern Italiens, Matteo Salvini von der rechtsnationalen Lega und Silvio Berlusconi von der christdemokratischen Forza Italia am Mittwochabend darauf, dass die Partei mit den meisten Wählerstimmen den künftigen Ministerpräsidenten bestimmt. Damit haben sich die Aussichten für die 45 Jahre alte Meloni abermals verbessert, als erste Frau das höchste Regierungsamt Italiens zu bekleiden. An dem Bündnis sind zwei weitere rechtszentristische Kleinparteien beteiligt.

          Matthias Rüb
          Politischer Korrespondent für Italien, den Vatikan, Albanien und Malta mit Sitz in Rom.

          Schon bei den Parlamentswahlen 2018 waren die drei Parteien als Verbündete angetreten und hatten sich darauf geeinigt, dass die Partei mit den meisten Stimmen den Regierungschef stellt. Die Lega als stärkste Kraft des Bündnisses hatte 2018 aber nur den dritten Platz erreicht, hinter der linkspopulistischen Fünf-Sterne-Bewegung und den Sozialdemokraten.

          Melonis Partei kann laut jüngsten Umfragen bei der vorgezogenen Parlamentswahl am 25. September mit 23 bis 25 Prozent der Stimmen rechnen. Die Lega kommt auf 14 bis 15 Prozent, für die Forza Italia sprechen sich sieben bis neun Prozent der befragten Wähler aus. Auf der Linken ist das Projekt des sozialdemokratischen Parteichefs Enrico Letta gescheitert, mit den Fünf Sternen und anderen Linksparteien ein Bündnis zu schmieden, sodass die Parteien links der Mitte ihre Kräfte nicht bündeln, sondern sich die Wähler abspenstig machen werden. Die Sozialdemokraten kommen in Umfragen auf 22 bis 23 Prozent, die Fünf Sterne liegen bei neun bis zehn Prozent.

          Vor dem Treffen hatte Salvini bekräftigt: „Die Italiener entscheiden: Wer auch nur eine Stimme mehr bekommt, bestimmt, wer Italien in den nächsten 5 Jahren regieren wird.“ Meloni hatte versichert, ohne Einigung auf den Modus zur Bestimmung des Regierungschefs habe ein Bündnis keinen Sinn. Berlusconi hatte sich dagegen zunächst skeptisch über eine mögliche Ministerpräsidentin Meloni geäußert, gab seinen Widerstand dann aber bei den Gesprächen mit Meloni und Salvini auf. Nach dem Treffen sagte Berlusconi, Meloni, Salvini sowie führende Politiker seiner Forza Italia hätten „beste Aussichten, eine hochkarätige Regierung zu führen, die fest mit Europa und dem Westen verbunden ist“. Der 85 Jahre alte Berlusconi will sich selbst aktiv am Wahlkampf beteiligen und sich um einen Sitz im Senat bewerben, strebt aber nach eigenen Angaben kein Regierungsamt an.

          Jede der drei Parteien tritt mit dem jeweils eigenen Emblem an. In den 221 Wahlkreisen, deren Mandate nach dem Mehrheitswahlrecht an den Kandidaten mit der einfachen Stimmenmehrheit vergeben werden, stellen die Brüder Italiens in 98 den Kandidaten, die Lega in 70, die Forza Italia in 42 und die verbündeten Kleinparteien zusammen jeweils elf. Da die Parteien der Linken wohl kein Bündnis zustande bringen dürften, haben die Kandidaten des Mitte-rechts-Bündnisses gute Chancen, die meisten Mandate in den Einzelwahlkreisen zu gewinnen.

          Der sozialdemokratische Parteichef Letta sagte nach der Einigung der Rechtsparteien, Berlusconi habe sich und seine christdemokratische Partei faktisch den Rechtsparteien Salvinis und zumal Melonis ausgeliefert. „Es gibt in unserem Land kein Mitte-rechts-Bündnis mehr, sondern nur noch ein Rechts-rechts-Bündnis.“ Die Wähler stünden am 25. September vor der klaren Entscheidung zwischen den postfaschistischen Brüdern Italiens und den Sozialdemokraten, sagte Letta. „Diejenigen, die für die Rechten stimmen und dann feststellen, dass sie sich geirrt haben, werden mit dieser Regierung fünf Jahre lang auskommen müssen“, warnte Letta. „Wer dagegen für uns stimmt, wählt eine politische Kraft, die Italien in den nächsten fünf Jahren im Einklang mit dem vereinten Europa regieren wird“, erklärte Letta.

          Aus Protest gegen die Beteiligung der Forza Italia am Sturz von Ministerpräsident Mario Draghi sowie gegen das gefestigte Wahlbündnis mit den Brüdern Italiens haben mehrere Abgeordnete der Forza Italia die Partei verlassen, unter ihnen die Minister Mara Carfagna, Mariastella Gelmini und Renato Brunetta.

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