Impffortschritt in Italien : „Dies ist der letzte Aufruf“
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Prescht mit einer möglichen Impfpflicht vor: Pierpaolo Sileri, Staatssekretär im italienischen Gesundheitsministerium Bild: dpa
Wenn bis zum 15. September nicht 80 Prozent der Italiener die Erstimpfung gegen Corona erhalten hätten, müsse das Land über eine allgemeine Impfpflicht nachdenken. So fordert es ein Staatssekretär in Rom.
Gut zwei Wochen vor dem „Rientro“, wie in Italien das Ende der Sommerferien heißt, bereitet die Regierung in Rom die Bevölkerung auf die mögliche Einführung einer allgemeinen Impfpflicht vor. „Dies ist der letzte Aufruf“, sagte Pierpaolo Sileri, Staatssekretär im Gesundheitsministerium, in der Zeitung La Stampa: „Wenn bis zum 15. September nicht mindestens 80 Prozent der Bevölkerung den Impfzyklus eingeleitet haben, dann müssen wir über eine Impfpflicht nachdenken.“ Nach offiziellen Angaben sind bisher knapp 62 Prozent der Bevölkerung vollständig geimpft. Eine Impfdosis haben gut 70 Prozent der Italiener erhalten.
Um den zuletzt schleppenden Impffortschritt zu beschleunigen, hatten die Behörden es zu Ferienbeginn ermöglicht, sich auch am Urlaubsort und ohne Voranmeldung impfen lassen zu können. Am 16. August wurde die allgemeine Impfempfehlung auf Jugendliche über zwölf Jahre ausgedehnt. Es ist unwahrscheinlich, dass bis Mitte September, wie von Sileri erhofft, der Anteil der mindestens einmal Geimpften um zehn Prozentpunkte erhöht werden kann.
Nur noch mit dem „Green Pass“ in den Regionalzug?
Die Forderung nach einer Impfpflicht begründete der Staatssekretär von der linkspopulistischen Fünf-Sterne-Bewegung vor allem damit, dass die Kliniken bei der normalen medizinischen Versorgung nicht länger durch die Hospitalisierung von an Covid-19 Erkrankten behindert werden dürften. Wegen der wesentlich ansteckenderen Delta-Variante sollten mindestens 80 Prozent der Bevölkerung mindestens einmal geimpft sein. Eine allgemeine Impfpflicht sollte nach den Vorstellungen Sileris zunächst für Personen im Alter von mehr als 40 Jahren gelten.
Eine generelle Impfpflicht gibt es in Italien schon jetzt für Angestellte im Gesundheits- und Pflegebereich sowie in Bildungs- und Betreuungseinrichtungen. Debattiert wird nun über eine Pflichtimpfung für Angestellte im öffentlichen Nahverkehr, für das Personal in Supermärkten und Lebensmittelgeschäften sowie für Behördenmitarbeiter im Schalterdienst.
Zum 6. August wurde das in Italien als „Green Pass“ bekannte Impfzertifikat eingeführt. Damit können auch eine Genesung von einer Corona-Infektion in den vergangenen sechs Monaten sowie ein negativer Corona-Test in den zurückliegenden 48 Stunden nachgewiesen werden. Der „Green Pass“ ist für den Zugang zu den Innenbereichen der Gastronomie, zu Museen, Theatern und Kinos, zu Sport- und Kulturveranstaltungen sowie zu Schwimmbädern und Fitnessstudios erforderlich. Zum 1. September wird der „Green Pass“ auch in Überlandbussen, in Fernzügen sowie in Flugzeugen verpflichtend. Auch für den öffentlichen Nahverkehr wird die Einführung der Green-Pass-Pflicht erwogen, es gibt darüber in der Regierung von Ministerpräsident Mario Draghi bisher aber keinen Konsens.
Gewerkschafter: Lieber alle statt nur selektiv impfen
Streit herrscht derzeit zwischen Arbeitgebern und Gewerkschaften, weil immer mehr Unternehmen die Vorlage des „Green Pass“ am Arbeitsplatz verlangen. Auch in Betriebskantinen, die gemäß Regierungsverordnung wie Restaurants zu betrachten sind, muss das Impfzertifikat vorgezeigt werden. Der Generalsekretär der Gewerkschaft CISL, Luigi Sbarra, fordert statt der Ausweitung der Green-Pass-Pflicht durch die privaten Arbeitgeber die Einführung einer allgemeinen Impfpflicht für die gesamte Bevölkerung. Die Impfpflicht nur für das Schul- und Gesundheitspersonal sei diskriminierend, sagte Sbarra.
Sollte sich die Zahl der Infektionen bei vollständig Geimpften weiter erhöhen, plädiert Gesundheitsstaatssekretär Sileri für die Verabreichung einer dritten Impfdosis. „Wenn die Zahl der Infektionen unter den Geimpften steigt, weil die Durchimpfungsrate in den letzten Monaten gesunken ist, muss eine dritte Dosis verabreicht werden“, sagte Sileri. Zuvor müssten aber die jüngsten Daten zu den sogenannten Impfdurchbrüchen, also zu symptomatischen Infektionen bei Geimpften, geprüft werden.