Rechtsbündnis in Italien : Berlusconi meckert, Meloni gibt sich unbeeindruckt
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Bewusste Provokation? Während der konstituierenden Sitzung des Senats notierte Berlusconi über Meloni: „rechthaberisch, überheblich, arrogant und beleidigend“. Bild: AP
Die designierte Ministerpräsidentin Giorgia Meloni verweigert Silvio Berlusconi Personalwünsche. Der reagiert wütend und beschert dem Bündnis die erste Krise noch vor Koalitionsbeginn.
Die Rückkehr von Silvio Berlusconi in den Senat war nur bedingt triumphal. Der 86 Jahre alte Gründer und Parteichef der christdemokratischen Forza Italia ist nicht mehr gut zu Fuß, er muss sich beim Aussteigen aus dem Auto und auch beim Gehen helfen lassen. Gewiss, es war für den Unternehmer und Ministerpräsidenten mit der längsten Regierungszeit in der Geschichte der Republik Italien eine große Genugtuung, dass er bei den Wahlen vom 25. September in seinem Wahlkreis in Monza einen Sitz in jener Parlamentskammer erringen konnte, aus der er 2013 nach seiner rechtskräftigen Verurteilung wegen eines Steuerdelikts entfernt worden war.
Aber was bei der konstituierenden Sitzung der kleineren Parlamentskammer am Donnerstag vorfiel, konnte dem „Cavaliere“ nicht gefallen. Zum neuen Senatspräsidenten wurde Ignazio La Russa gewählt, das 75 Jahre alte Urgestein der rechtskonservativen Partei Brüder Italiens von Giorgia Meloni, der designierten neuen Ministerpräsidentin. Berlusconi hatte La Russa in seinem vierten und letzten Kabinett zwischen 2008 und 2011 den wichtigen Posten des Verteidigungsministers gegeben, und Meloni hatte er zur Ministerin für Jugend und Sport gemacht.
Doch am Donnerstag und Freitag war Berlusconi nicht mehr Chef beim Geschacher um die Präsidentenposten in den beiden Parlamentskammern, sondern nur Zuschauer. Im Dreierbündnis mit Melonis Brüdern Italiens – Wahlsiegerin mit 26 Prozent der Stimmen – und Matteo Salvinis rechtsnationaler Lega mit knapp neun Prozent ist Berlusconi mit seiner Forza Italia und gut acht Prozent Wählerstimmen eben nur die dritte Kraft und kann keine großen Forderungen stellen.
Berlusconi notiert seinen Ärger auf einem Notizzettel
Bei der Wahl von Ignazio La Russa zum Senatspräsidenten und damit zum zweiten Mann im Staat – nach Staatspräsident Sergio Mattarella – wollte Berlusconi der von ihm als aufmüpfig empfundenen Giorgia Meloni eine Lektion erteilen: Die Senatoren der Forza Italia sollten sich der Stimme enthalten, zumindest im ersten Wahlgang. Doch La Russa bekam ungeachtet der „Protestwahl“ von Forza Italia schon im ersten Anlauf genug Stimmen, nämlich 116 von insgesamt 206, darunter 19 Stimmen aus den Reihen der Opposition. Das war eine Blamage für Berlusconi, den einstigen Meister der Deals und geheimen Absprachen.
Seinem Zorn ließ er La Russa gegenüber in einem kurzen Austausch mit einem Schimpfwort freien Lauf, während er seine geringe Meinung über Meloni einem Notizzettel anvertraute. Meloni sei, so schrieb Berlusconi, „rechthaberisch, überheblich, arrogant und beleidigend“. Den Zettel reichte er seiner Sitznachbarin im Senat weiter, doch längst war dessen Inhalt von den Kameras erfasst und der Nation zur Kenntnis gebracht worden. Auf die von allen Medien verbreitete Notiz am Freitagabend angesprochen, erwiderte Meloni erkennbar genervt, es fehle ein wichtiges Attribut: „nicht erpressbar“.
Vor allem will sich Melon nicht erpressen lassen, die Berlusconi-Vertraute Licia Ronzulli mit einem wichtigen Ministerposten zu betrauen. Über die Besetzung von wichtigen Posten im Parlament und zumal im Kabinett behält sie sich das letzte Wort vor, unter Berücksichtigung des Parteienproporzes zwischen den drei Bündnispartnern.
Dieser Machtlogik Melonis entsprach auch die Wahl des 42 Jahre alten Lega-Politikers Lorenzo Fontana zum Präsidenten des Abgeordnetenhauses. Schließlich ist die Lega die zweite Kraft im Bündnis und war, nach den Brüdern Italiens im Senat, in der größeren Parlamentskammer an der Reihe. Fontana ist zudem ein Vertreter des erzkatholischen Flügels der Lega, der weltanschaulich den Brüdern Italiens mindestens so nahesteht wie der wirtschaftsliberalen Strömung seiner eigenen Partei.
Lega-Chef Matteo Salvini, der sich mit seiner Rolle als einer von zwei Juniorpartnern Melonis abgefunden zu haben scheint, versuchte am Wochenende die Wogen zu glätten. Er zeigte sich zuversichtlich, dass schon bald „zwischen Giorgia und Silvio eine Harmonie zurückkehren“ werde und damit der Weg frei sei zur Bildung einer Regierung für die gesamte Legislaturperiode von fünf Jahren.
Gemäß Verfassung nimmt Präsident Mattarella zu Wochenbeginn zunächst Konsultationen mit den Präsidenten der beiden Parlamentskammern sowie mit den Fraktions- und Parteichefs aller Parteien auf. Sodann erteilt er jenem Kandidaten den Regierungsauftrag, der mit Mehrheiten in beiden Kammern für seine Kabinettsliste rechnen kann. Bis Ende dieser Woche dürfte sich zeigen, ob der Streit zwischen Berlusconi und Meloni schon der Anfang vom Ende einer Rechtsregierung vor deren Anfang war. Oder ob es doch nur ein Sturm im Wasserglas war, das aus der Sicht Berlusconis eher halbleer als halbvoll ist.