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Yair Lapid in Washington : Wie Biden mit dem Nahost-Erbe Trumps umgeht

Yair Lapid, Außenminister Israels, und Nancy Pelosi, Sprecherin des US-Repräsentantenhauses, am 12. Oktober in Washington Bild: dpa

Beim Treffen Blinkens mit seinen Amtskollegen aus Israel und den Vereinigten Arabischen Emiraten sollten die Abraham-Abkommen gewürdigt werden. Ein Ersatz für die Zweistaatenlösung seien sie aber nicht, heißt es aus Washington.

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          Die Biden-Administration führt vieles fort, was in der Präsidentschaft Donald Trumps begonnen wurde – manches stillschweigend oder gar verschämt. Die Abraham-Abkommen zur Normalisierung der Beziehungen Israels zu mehreren arabischen Staaten aber werden inzwischen sogar gefeiert. Am Mittwoch wollte Außenminister Antony Blinken seine Amtskollegen aus Israel und den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE), Yair Lapid und Abdullah Bin Zayed al Nahyan, empfangen, um gemeinsam die Unterzeichnung der Verträge vor gut einem Jahr zu würdigen. Die Trump-Regierung hatte das Abkommen zwischen Israel, den VAE und Bahrein vermittelt. Später traten noch Marokko und auch Sudan bei.

          Majid Sattar
          Politischer Korrespondent für Nordamerika mit Sitz in Washington.
          Christian Meier
          Politischer Korrespondent für den Nahen Osten und Nordostafrika.

          Ranghohe Vertreter des State Department machten allerdings am Dienstag deutlich, dass das Abkommen kein Ersatz für die Zweistaatenlösung sei. Es wurde die Hoffnung geäußert, dass es dazu beitragen könne, Fortschritte im israelisch-palästinensischen Konflikt zu erzielen. Trump hatte mit der bisherigen amerikanischen Nahostpolitik gebrochen und die Golfstaaten gedrängt, den palästinensischen Widerstand gegen das Abkommen zu ignorieren.

          „Neues Paradigma“ in der Region?

          Bis dahin war die Normalisierung der Beziehungen zu Israel von einem Friedensvertrag zwischen Israelis und Palästinensern abhängig gemacht worden. Die palästinensische Führung beklagte, sie sei von den arabischen Bruderstaaten verraten worden. Konkrete Vorschläge, wie das Abkommen helfen könne, einer Zweistaatenlösung näher zu kommen, machten die amerikanischen Diplomaten nicht. Der neue israelische Ministerpräsident Naftali Bennett lehnt einen palästinensischen Staat ab.

          In Israel ist die Zustimmung zu den Abraham-Abkommen hoch. Einer kürzlich veröffentlichten Umfrage zufolge seien 61 Prozent der Israelis der Ansicht, die Normalisierungsabkommen mit den VAE und Bahrein hätten ihre Erwartungen erfüllt, berichtete die Zeitung Maariv. Am Montag hatten Jared Kushner und Ivanka Trump, der Schwiegersohn und die Tochter des früheren Präsidenten, Israel einen Kurzbesuch abgestattet, um an der Gründung einer Abraham-Abkommen-Interessengruppe von Knesset-Abgeordneten teilzunehmen. Kushner, der als Architekt der Abkommen gilt, sagte bei der Veranstaltung in Jerusalem, diese hätten ein „neues Paradigma“ in der Region geschaffen. Er hat kürzlich eine Organisation mitgegründet, das Abraham Accords Institute for Peace, das dazu beitragen soll, die Beziehungen zwischen Israel und den VAE, Bahrein, Marokko und Sudan zu vertiefen.

          Austausch über die Iran-Frage

          Lapid traf am Dienstag mit Vizepräsidentin Kamala Harris und Jake Sullivan, dem Nationalen Sicherheitsberater von Präsident Joe Biden, zusammen. Später teilte das Weiße Haus mit, man habe auch über die jeweiligen Sichtweisen auf die Bedrohung durch Iran gesprochen. Sullivan habe die Verpflichtung Bidens bekräftigt, sicherzustellen, dass Teheran niemals in den Besitz von Nuklearwaffen komme. Beide Seiten seien übereingekommen, sich eng über die Iran-Frage auszutauschen. Vor seinem Treffen mit Harris hatte Lapid gesagt, das iranische Atomprogramm stehe für ihn bei seinem Besuch in Washington im Zentrum. Im Gespräch mit Sullivan soll Lapid die Notwendigkeit für einen Plan B hervorgehoben haben, sollten die Bemühungen Washingtons, das internationale Abkommen mit Iran wieder mit Leben zu füllen, scheitern.

          Trump hatte das Abkommen 2018 einseitig aufgekündigt, woraufhin Iran seine Uran-Anreicherung wieder hochfuhr und internationale Inspektionen seiner Atomanlagen einschränkte. Kurz nachdem Biden sein Amt angetreten hatte, begannen die anderen Vertragsstaaten ihre Bemühungen, beide Seiten zur Rückkehr zu dem Abkommen zu bewegen. Biden hatte im August beim Besuch Bennetts gesagt, er werde im Umgang mit Iran zunächst auf Diplomatie setzen. Wenn dies scheitere, sei er bereit, sich „anderen Optionen“ zuzuwenden.

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