In der Nacht zum Montag protestierten in Tel Aviv und anderen Städten Tausende. Bild: Omer Messinger
Die umstrittene Justizreform spaltet nicht nur die israelische Gesellschaft. Auch die Regierung Netanjahu ringt um ihren Kurs. Hinter den Kulissen wurde heftig gestritten.
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In Israel herrschte am Montag Chaos – im Land, aber auch in der von Benjamin Netanjahu geführten Regierung. Nach drei Monaten im Amt und unter dem Druck massiven Widerstands gegen die umstrittene Justizreform zeigten sich in der religiös-rechtsnationalistischen Koalition Konflikte über das richtige Vorgehen. Einige Koalitionsmitglieder wollten an dem bisherigen Plan für die Reform festhalten, die den Einfluss des Obersten Gerichts beschneiden und die Exekutive stärken würde. Andere schienen gewillt, dem Druck der Straße vorerst nachzugeben – inzwischen auch Netanjahu selbst.
Der Ministerpräsident hatte für den Vormittag eine Erklärung angekündigt. Sie wurde jedoch ohne Angabe von Gründen verschoben. Hinter den Kulissen wurde heftig um den weiteren Kurs gerungen. Vor allem der Minister für nationale Sicherheit und Vorsitzende der ultrarechten Partei „Jüdische Stärke“, Itamar Ben-Gvir, forderte, die Reform voranzutreiben. Auf Twitter schrieb er, man dürfe nicht „gegenüber der Anarchie kapitulieren“. Ben-Gvir soll in Netanjahus Büro laut geworden sein, zudem hieß es, er habe mit seinem Rücktritt gedroht. Am frühen Abend wurde schließlich eine Einigung verkündet: Ben-Gvirs Partei teilte mit, sie trage eine Aufschiebung der Reform um wenige Monate mit. Im Gegenzug werde das Kabinett beschließen, eine Nationalgarde unter der Leitung Ben-Gvirs einzurichten. Netanjahu habe das schriftlich zugesagt.
Die anderen Kabinettsmitglieder hatten sich schon vor Ben-Gvir und ohne eine solche Gegenleistung offen gezeigt, den Gesetzgebungsprozess einzufrieren. Manche äußerten sich auch öffentlich: Wirtschaftsminister Nir Barkat rief die übrigen Minister am Morgen dazu auf, „sich hinter dem Ministerpräsidenten zu sammeln und ihn darin zu unterstützen, die Gesetzgebung zu stoppen“. Die rechte Koalition dürfe nicht ihren eigenen Sturz herbeiführen, warnte Barkat, ein Likud-Schwergewicht. „Unsere Stärke ist unsere Einigkeit.“
Die Einigkeit war indessen schon am Wochenende zerbrochen. Am Samstagabend hatte in Person von Verteidigungsminister Joav Gallant erstmals ein Regierungsmitglied öffentlich gegen das Tempo Stellung bezogen, mit dem die Regierung die Reform durchzupeitschen versucht, ungeachtet der zunehmenden Proteste. In einer im Fernsehen übertragenen Ansprache warnte der Likud-Politiker und ehemalige stellvertretende Generalstabschef, die zunehmenden Proteste gegen die Reform schwächten das Militär.
Immer mehr Reservisten haben in den vergangenen Wochen angekündigt, den Dienst zu verweigern, sollte das Reformpaket umgesetzt werden. Und viele sind offenbar tatsächlich nicht zu Militärübungen erschienen. Armeechef Herzi Halevi schrieb am Montag in einem Brief an alle Reservisten, der richtige Ort für Protest sei die Öffentlichkeit, nicht das Militär. „Unsere Feinde müssen wissen, dass wir Wacht halten und dass niemand desertiert“, schrieb Halevi.