Island : Das Ende der „Geysir-Ökonomie“
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Haard in Erklärungsnot: Durch wilde Geschäfte der Banken wurde das ganz Land in den Abgrund gerissen - wie konnte der Ministerpräsident dies zulassen? Bild: AP
Der Staat ist bankrott, die Regierung gescheitert und die Bürger sind zornig. Ministerpräsident Haarde zieht sich nun zurück. Er gilt vielen auf der Insel als der politisch Schuldige für die Finanzkatastrophe nach Jahren wilder Expansion.
Ein Tag nach dem Zusammenbruch der isländischen Regierung hat Staatspräsident Olafur Ragnar Grimsson am Dienstag die Sozialdemokraten - den kleineren Koalitionspartner der gescheiterten Regierung - mit der Bildung einer Übergangsregierung bis zu den Wahlen im Mai beauftragt. Die Vorsitzende Ingibjorg Solrun Gisladottir soll sich dafür mit der Links-Grünen-Bewegung zusammentun.
Das kleine Land befindet sich am Abgrund. Island steht faktisch vor dem Staatsbankrott und ist nur durch internationale Finanzspritzen in der Lage, wenigstens die wichtigsten Lebensmittel zu importieren. Die Krise hat für viele Isländer einen Namen: Schuld am wirtschaftlichen und finanziellen Zusammenbruch trage vor allem Ministerpräsident Haarde von der konservativen Unabhängigkeitspartei.
Allerdings hatte das ganze Land hatte mit seiner „Geysir-Wirtschaft“ weit über seine Verhältnisse auf Pump gelebt. Fast alle Isländer sind hoch verschuldet durch kreditfinanzierten Haus- und Autokauf - und dies wegen der seit langem hohen isländischen Zinsen in ausländischen Devisen, für die sie nun nach dem Zusammenbruch der isländischen Währung ein Vielfaches an Tilgung bezahlen müssen.
Hemmungslose Expansion der privatisierten Banken
Haarde war von 1998 bis 2006 Finanzminister des kleinen Landes mit 300.000 Einwohnern. Unter seiner Amtszeit wurde erst die Devisenbewirtschaftung liberalisiert, dann die bis dahin staatlichen Banken privatisiert.
Sie expandierten hemmungslos, erlaubten sich wilde Kreditaufnahmen, üppige Zinszahlungen an die Einleger und waghalsige Investitionsgeschäfte zu internationalen Konglomeraten, deren Garantien im vergangenen Oktober, als sie wieder verstaatlicht wurden, das ganze Land in den Abgrund rissen.
Wie konnte es sein, dass die isländischen Banken das mehr als Zehnfache des gesamten Bruttoinlandsproduktes des Landes anhäuften? Wie konnte Haarde dies zulassen? Warum wurde die private Verschuldung der Bürger nicht gebremst? Wie konnte Haarde das gigantische Zahlungsbilanzdefizit des Landes zulassen, dass eigentlich nur von Fischfang und dann noch etwas Aluminiumproduktion und Tourismus lebt, sich aber jahrelang rühmte, eines der höchsten Prokopf-Einkommen der Welt zu haben?
Haarde kann sich nicht damit entschuldigen, er habe das alles nicht begriffen. Denn er ist ein in den Vereinigten Staaten ausgebildeter Ökonom - anders als etwa der Finanzminister, der Fisch-Veterinär war, oder der sozialdemokratische Handelsminister, der nach Jahren als Journalist in Studentenzeitungen „Berufspolitiker“ wurde, in den vergangenen Monaten in der Finanzkrise federführend war und am vergangenen Sonntag mit seinem Rücktritt den endgültigen Zusammenbruch der Regierung einleitete.
Bankenaufsicht war ein Witz
Haardes Fehler war nicht die Liberalisierung. Sein Fehler war, einer Überexpansion der international ungeübten Bankiers und Spekulanten nicht mit schärferen Kontrollen entgegengetreten zu sein. Die Aufsicht über die Banken durch die Zentralbank, die von David Oddson, einem ehemaligen Ministerpräsidenten und Vorgänger Haardes, geleitet wurde, verdiente irhen Namen nicht, ebenso die durch die staatliche Finanzaufsichtsbehörde, die am Sonntag als letzte Amtshandlung des abtretenden Handelsministers Bjorgvin Sigurdarson gefeuert wurde.