Proteste in Iran : Das Schweigen der Ajatollahs
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Irans Revolutionsführer Ajatollah Ali Khamenei am Samstag in Teheran Bild: AFP
Präsident Raisi ruft die religiösen Würdenträger zum Widerspruch gegen die Protestbewegung auf. Dieser schließen sich auch einzelne Mullahs und Freitagsprediger an.
Die Nervosität in der Führung der Islamischen Republik wird größer. Präsident Ebrahim Raisi hat die religiösen Würdenträger nun aufgefordert, endlich ihr Schweigen zu brechen und zu den Protesten im Land Stellung zu nehmen. Er unterstellte ihnen, sie würden schweigen, weil sie Kampagnen gegen sich befürchteten. Kaum ein bekannter Ajatollah unterhalb von Revolutionsführer Ali Khamenei hat sich bislang zu den Unruhen geäußert. Denn dank der sozialen Medien bliebe wohl nichts unwidersprochen.
Gleichzeitig nehmen die kritischen Stimmen wenig bekannter Mullahs und von Freitagspredigern zu, die sich nun vereinzelt den Protesten anschließen. Am Samstag hat sich Khamenei gegen die Demonstranten gewandt. Sie hätten es nicht geschafft, eine breite Masse auf die Straße zu bringen. Daher griffen sie nun Sicherheitskräfte an, sagte er in Isfahan. „Diese Niederträchtigen werden unser System nicht gefährden, ohne Zweifel wird den Krawallen ein Ende gesetzt.“
Regime versucht Fußball-WM zu nutzen
Die Führung will nun aus der iranischen Teilnahme an der Fußball-WM in Qatar Kapital schlagen. Deshalb hat die Teheraner Stadtverwaltung am Samstagabend auf dem zentralen Azadi-Platz ein großes Feuerwerk veranstaltet. Der regimetreue Propagandist Ali Akbar Raefipoor rief der Nationalmannschaft auf Instagram zu: „Lasst uns unsere Fahne hoch schwingen!“ Maßgebliche Persönlichkeiten in dem fußballbegeisterten Land haben jedoch gegen das Regime Stellung bezogen.
So hat am Sonntag der bekannte Fußballreporter Davoud Abedi gekündigt. Auf Instagram verabschiedete er sich mit den Worten: „Wie kann man mit so viel Trauer, Leid und Schmerz noch ein freundliches Gesicht in der Sendung behalten?“ Ein anderer Fußballkommentator, Adel Firdousi-Pour, hat ein Angebot des Staatsfernsehens abgelehnt, über die WM zu berichten. Vier Jahre hatte der regimekritische Reporter beim Fernsehen keinen Vertrag erhalten. Zu den Persönlichkeiten, die zuletzt vorgeladen und verhört wurden, gehört unter anderem Yahya Golmohammadi, der Trainer des beliebten Fußballclubs Persepolis.
Die Spannungen nehmen insbesondere in den kurdischen Gebieten Irans zu. Von ihrem Stützpunkt in Urmia haben die Revolutionswächter gepanzerte Fahrzeuge nach Mahabad verlegt. Am Samstag hatten Demonstranten Straßenbarrikaden errichtet und die Stadt zeitweise unter ihre Kontrolle gebracht. In der Großstadt im Nordwesten Irans wird weiter gekämpft. Meldungen über Revolutionswächter, die in der kurdischen Stadt Bukan getötet worden sind, bestätigen deren zunehmenden Verwendung für die Niederschlagung der Proteste. In Kermanschah wurde ein Oberst der Revolutionswächter, der seine Leute antrieb, von Demonstranten erstochen.
Wie erst jetzt bekannt wurde, hatte vorige Woche der Kommandeur der Ghods-Brigaden der Revolutionswächter, Ismaeel Ghaani, bei einem Besuch in Bagdad mit einem Einmarsch in den Irak gedroht, sollten die kurdischen Parteien nicht entwaffnet werden. Ghaani forderte die irakische Regierung auf, Soldaten der Armee an der Grenze zu Iran zu stationieren, um den Waffenschmuggel nach Iran zu beenden.