Irans geistliches Oberhaupt : Khameneis Schwester verurteilt Niederschlagung der Proteste
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Ajatollah Ali Khamenei, Oberster Führer und geistliches Oberhaupt Irans Bild: dpa
Brutalität, Unfreiheit, Folter – Ali Khameneis Schwester rechnet in einem offenen Brief mit den Machenschaften ihres Bruder ab. Sie ruft die Revolutionsgarden dazu auf, sofort ihre Waffen niederzulegen.
Nach der Nichte hat sich auch eine Schwester von Ajatollah Ali Khamenei gegen das geistliche und politische Oberhaupt Irans gestellt. Badri Hosseini Khamenei sprach sich gegen die blutige Niederschlagung landesweiter Demonstrationen aus und erklärte, das „despotische Kalifat“ ihres Bruders habe nichts als Leid gebracht. „Ich denke, es ist an der Zeit, zu erklären, dass ich gegen die Taten meines Bruders bin“, schrieb sie in einem Brief, der am Mittwoch auf dem Twitter-Konto von ihrem in Frankreich lebenden Sohn Mahmud Moradchani veröffentlicht wurde.
„Zudem spreche ich allen Müttern, die unter den Verbrechen der Islamischen Republik ab Khomeneis Zeiten bis zu der jetzigen Ära des tyrannischen Kalifats von Ali Chamenei leiden, mein Mitgefühl aus.“ Die Iranischen Revolutionsgarden rief sie dazu auf, ihre Waffen niederzulegen und das Volk zu unterstützen, „bevor es zu spät ist“.
Widerstand gegen das „kriminelle System“
Datiert ist der Brief mit „Dezember 2022“. Die Mitteilung erschien laut der britischen Tageszeitung „The Guardian“ einen Tag, nachdem auch der ehemalige Präsident des Landes, Mohammad Khatami, in einer Erklärung seine Unterstützung für die Protestbewegung bekundet und damit den Druck auf das Regime durch einflussreiche politische Persönlichkeiten erhöht hatte.
Badri Hosseini Khamenei sah es immer als ihre Pflicht an, mit ihrem Bruder über die Bedürfnisse des Volkes zu sprechen, „doch er hörte nicht auf mich und ließ weiter unschuldige Menschen unterdrücken und umbringen“. Deshalb habe sie den Kontakt zu ihm abgebrochen. Mitte der 1980er-Jahre flüchtete sie mit ihrer Familie in den Irak. Mittlerweile lebt sie wieder in Iran. Sie beschreibt, wie ihre Familie bald nach der Revolution im Jahr 1979 gegen dieses „kriminelle System“ Widerstand geleistet habe. Ihr Ehemann, Ali Teherani, lebte jahrelang im irakischen Exil und kritisierte die Islamische Republik regelmäßig in Radiosendungen. Nach seiner Rückkehr im Jahr 1995 verbrachte Teherani zehn Jahre im Gefängnis. Er starb im Oktober dieses Jahres.
Verhaftung der Tochter löste offenen Brief aus
Auch ihre Tochter Farideh Moradkhani sei bereits früher wegen ihrer Menschenrechtsaktivitäten mehrmals in Haft gewesen. Ende November hatte Moradkhani in einer Video-Botschaft die internationale Isolierung Irans gefordert. Sie begründete ihren Aufruf mit dem gewaltsamen Vorgehen von Sicherheitskräften gegen Demonstranten. Sie wurde festgenommen. Daraufhin fasste ihre Mutter den Entschluss, sich öffentlich zu den Machenschaften des Regimes zu äußern.
Zum Schluss hebt Badri Hosseini Khamenei hervor, dass sie auf den Sieg des Volkes und den Sturz dieser Tyrannei hoffe, die das Land regiert. Sie entschuldigt sich ausdrücklich dafür, dass körperliche Beschwerden sie davon abhalten, sich an den Protestbewegungen zu beteiligen. „Aber ich bin mit Herz und Seele beim Volk.“
Seit Mitte September gibt es Proteste in Iran. Entzündet hatten sie sich am Tod der 22 Jahre alte Mahsa Dschina Amini. Die Kurdin war am 16. September in Polizeigewahrsam gestorben. Die sogenannte Sittenpolizei hatte sie festgenommen, weil sie unangemessen gekleidet gewesen sein soll. Inzwischen haben sich die Proteste zur größten Herausforderungen für die geistliche Führung seit der Islamischen Revolution 1979 ausgewachsen.