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Interview mit Ahmadineschad : Die Wut kommt immer zu spät

  • -Aktualisiert am
Ein Schweigen könnte wie Einverständnis wirken: Mahmud Ahmadineschad im Gespräch mit F.A.S.-Redakteurin Christiane Hoffmann

Ein Schweigen könnte wie Einverständnis wirken: Mahmud Ahmadineschad im Gespräch mit F.A.S.-Redakteurin Christiane Hoffmann Bild: Mysam Akbari

Es ist nicht leicht, einen Gesprächstermin bei Mahmud Ahmadineschad zu bekommen. Aber will man ihm überhaupt die Bühne eines Interviews geben?

          5 Min.

          „Blamier dich nicht“, sagt meine iranische Freundin, als sie von dem bevorstehenden Interview mit Mahmud Ahmadineschad hört. Bisher hätten sich alle westlichen Journalisten mit dem iranischen Präsidenten blamiert. Eigentlich sollte man ihm gar nicht die Bühne eines Interviews geben, sagt sie. Die Eltern meiner Freundin wurden vom Geheimdienst der Islamischen Republik ermordet.

          Im März hatte Claus Kleber für das ZDF ein Interview mit Ahmadineschad geführt. Darin trat Kleber in staatsmännischer Pose als Vertreter der westlichen Welt auf. Er stilisierte das Interview zu einer Verhandlung, erwartete von Ahmadineschad Zugeständnisse im Atomstreit - und scheiterte kläglich. Er hatte sich freiwillig in die Rolle begeben, die Ahmadineschad westlichen Journalisten zugedacht hat. Sie sollen als Stellvertreter des Westens dessen Politik, Kultur und Geschichte rechtfertigen. Kleber wirkte sachlich schlecht vorbereitet und über weite Strecken sprachlos. Mit süffisantem Lächeln führte Ahmadineschad ihn vor. „Warum haben die Zionisten das Recht, die ganze Welt zu bedrohen? Warum werden Länder, die den Atomwaffensperrvertrag unterschrieben haben, diskriminiert?“ Kleber wurde dafür kritisiert, dass er nicht widersprach, als Ahmadineschad Israel als „künstlichen Staat“ bezeichnete.

          Um halb vier kommt der erlösende Anruf

          Es ist Ahmadineschads Art, die Konventionen westlicher Interviews zu unterlaufen. Er kontert mit Gegenfragen, versucht, Journalisten in eine Diskussion zu verwickeln. „Jetzt frage ich Sie: Wenn der Holocaust kein Mythos war, warum sollten die Palästinenser dafür bezahlen?“ Er stellt rhetorische Fragen und spricht sofort weiter. Das ist das Dilemma: Widerspreche ich nicht, bleiben die Anschuldigungen stehen. Tue ich es doch, lasse ich mich auf eine sinnlose Diskussion ein, die meine Interviewzeit stiehlt.

          Um dem Dilemma zu entgehen, überlege ich mir auf die zu erwartenden Angriffsfragen kurze Antworten. Um mich nicht zu blamieren, probe ich das Interview. Mein Mann spielt Ahmadineschad. Für die Proben gibt es genug Zeit. Zwischen der generellen Zusage und dem Interview vergehen fünf Monate. Nach mehreren vagen Terminvorschlägen wird es dann sehr kurzfristig anberaumt. Am Sonntagabend weiß ich Bescheid, am Montagabend um sieben soll ich schon fliegen. Fünf Stunden vor Abflug sitze ich im Büro des iranischen Botschafters in Berlin. Wir warten, dass Teheran die Genehmigung für das Visum erteilt. Der Botschafter ist bei der Anbahnung des Interviews eine Schlüsselfigur gewesen. Ohne seine Fürsprache wäre es nicht zustande gekommen. In der iranischen Kultur zählen persönliche Beziehungen und Vertrauen.

          Der Botschafter sagt, das Visum sei nur noch eine Formalität. Wir trinken Tee. Er hoffe, dass ich das Interview unvoreingenommen führen werde, sagt der Botschafter. Schließlich hätte ich fünf Jahre in Teheran gelebt. Ich wisse ja, wie das in Iran ist: Dort sind sie überzeugt, dass alle westlichen Medien von den Amerikanern gesteuert werden. Auf der Wanduhr mit den persischen Mosaiken wandert unbarmherzig der Zeiger. Um drei klingelt das Telefon auf dem Beistelltischchen. Man weiß noch nichts, aber bis um fünf werde man sicher eine Antwort aus Teheran haben. „Um fünf? Sie will um sieben fliegen. Gehen Sie der Sache nach.“ Es wird Kaffee gebracht. Wir sprechen über die Nuklearverhandlungen. Der Botschafter nennt Israel beim Namen. Er sagt nicht: „das zionistische Regime“. Er ist ein Pragmatiker. Um halb vier kommt der erlösende Anruf.

          Und wieder kritisieren sie mein Kopftuch

          Tags darauf im Präsidentenpalast in Teheran bereitet mich Herr Scheichan, der Leiter des Presseamts, auf das Interview vor. Ich solle den Präsidenten mit „Herr Präsident“ anreden. Ich solle die Beine nicht übereinanderschlagen, weil der Präsident das auch nicht tut. Herr Scheichan ist sehr unzufrieden mit meinem Hedschab: Die Leinenbluse sei zu hell und zu durchsichtig, die Ärmel zu kurz, das Kopftuch rutsche. Herr Scheichan blickt sich suchend um, als hoffe er, irgendeinen Tschador zu finden, den er mir überstülpen kann. Aber im Präsidentenpalast gibt es nur Männer: Sekretäre, Portiers, Vorzimmerherren. Ich begegne an diesem Nachmittag nur einer einzigen Frau: Sie macht bei mir die Körperkontrolle am Sicherheitscheck.

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