Anschlag von Salisbury : Dritter Verdächtiger im Fall Skripal identifiziert
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Militär-Einheiten am Schauplatz des Giftanschlags in Salisbury im Juli dieses Jahres Bild: Reuters
Zwei Verdächtige im Fall Skripal konnten Journalisten bereits als GRU-Agenten identifizieren. Nun benennt ein russisches Internetmagazin einen dritten Mann, der an dem Giftanschlag auf den ehemaligen Doppelagenten beteiligt gewesen sein soll.
Nach Angaben des russischen Internetmagazins „Fontanka.ru“ gibt es im Fall des Nervengiftanschlags auf den ehemaligen russischen Agenten Sergej Skripal einen dritten Verdächtigen. Großbritannien sei „bereit, einen Mittäter von Petrow und Boschirow zu beschuldigen“, hieß es in dem Bericht, der am Mittwochabend veröffentlicht wurde. „Fontanka“ hat sich an den Recherchen um die mutmaßlichen Skripal-Attentäter beteiligt und bisher plausible Informationen dazu veröffentlicht.
Am 5. September hatte Scotland Yard zwei russische Staatsbürger mit den Namen Alexander Petrow und Ruslan Boschirow als Tatverdächtige benannt. Die beiden wurden inzwischen durch journalistische Recherchen als Offiziere des Militärgeheimdienstes GRU identifiziert, deren wahre Namen Anatolij Tschepiga und Alexander Mischkin lauten. Sie sollen das Nervengift Nowitschok in einer Parfümflasche bei sich getragen und auf die Türklinke des früheren russischen Spions Skripal gesprüht haben. Sergej Skripal und seine Tochter lagen mehrere Wochen lang im Krankenhaus. Die Britin Dawn Sturgess starb im Juli, nachdem sie ebenfalls mit Nowitschok in Berührung gekommen war. Sie hatte sich den Inhalt eines Parfümfläschchen auf die Haut gesprüht, das ihr Partner gefunden hatte.
„Fontanka“ berichtet, bei dem dritten Verdächtigen handele es sich um den 45 Jahre alten Sergej Fedotow. Ende September hatte die britische Zeitung „The Telegraph“ gemeldet, die britischen Sicherheitsbehörden hätten einen dritten GRU-Agenten identifiziert, der bei der Vorbereitung des Anschlags geholfen habe.
Fedotow war zusammen mit anderen Verdächtigen in London
Laut „Fontanka“ war Fedotow seit 2016 bis zum Attentat auf Skripal mindestens drei Mal in London – jeweils im März. Das letzte Mal sei er am 2. März dieses Jahres dort angekommen, ebenso wie Petrow und Boschirow, aber mit einem anderen Flug. Am 4. März, dem Tag des Giftanschlags, soll Fedotow mit den beiden anderen Tatverdächtigen nach Moskau abgereist sein. Während Petrow und Boschirow gemeinsam von mehreren Überwachungskameras in London und Salisbury aufgezeichnet wurden, soll Fedotow sich alleine bewegt haben.
Laut „Fontanka“ entstammt Fedotows Auslandspass der gleichen Serie wie jene von Petrow und Boschirow; die Nummern unterschieden sich nur geringfügig. „Fontanka“ berichtet weiter, Fedotow habe sich im Januar oder Februar 2014 gleichzeitig mit Alexander Petrow in der Tschechischen Republik aufgehalten. Am Mittwoch hatten tschechische Medien unter Berufung auf Quellen im Geheimdienst berichtet, dass Alexander Petrow und Ruslan Boschirow sich im Oktober 2014 in der Tschechischen Republik aufgehalten hätten, weil sie schon damals Sergej Skripal verfolgten. Boschirow sei demnach am 11. Oktober 2014 nach Prag gekommen. Petrow soll sich vom 13. bis 16. Oktober in der Stadt Ostrau (Ostrava) aufgehalten haben und anschließend nach Prag gekommen sein. Sergej Skripal selbst sei erst in der zweiten Oktoberhälfte in die Tschechische Republik gekommen, um sich mit tschechischen Geheimdienstbeamten zu treffen. Die tschechischen Sicherheitsbehörden wollten die Informationen unter Verweis auf gemeinschaftliche europäische Ermittlungen nicht kommentieren.
Das „Tschechische Radio“ gibt an, im Jahr 2014 seien drei russische Staatsbürger aus Sicherheitsgründen ausgewiesen worden. Offiziell sei dies aber nicht bekannt gegeben worden. Die „New York Times“ hatte im Mai dieses Jahres berichtet, dass Sergej Skripal mindestens seit 2012 mit dem tschechischen Geheimdienst zusammengearbeitet und diesem Informationen über GRU-Agenten in Europa übermittelt habe.
Der Fall Skripal
Der ehemalige russische Doppelagent Sergej Skripal und seine Tochter Julija wurden Anfang März in der südenglischen Stadt Salisbury durch das in der Sowjetunion entwickelte Nervengift Nowitschok schwer verletzt und überlebten nur knapp. Eine dritte Frau, die später mit dem Gift in Kontakt kam, starb.
Sergej Skripal hatte früher für den russischen Militärgeheimdienst GRU gearbeitet und dem britischen MI6 Informationen weitergeleitet. 2004 flog er auf. Er wurde in Russland zu 13 Jahren Lagerhaft verurteilt. Bei einem Gefangenenaustausch kam er 2010 nach Großbritannien.
Anfang September veröffentlichte die britische Polizei dann Fahndungsfotos und die Namen von zwei russischen Verdächtigen, mit denen sie nach Großbritannien eingereist waren. Minuziös zeichneten die Ermittler den Weg der beiden nach Salisbury nach – sie hatten dafür Videoaufnahmen im Umfang von etwa 11.000 Stunden ausgewertet. Auch in der Nähe des Wohnhauses von Sergej Skripal hatten sich die beiden Männer demnach aufgehalten. In ihrem Hotelzimmer fanden sich Spuren des Nervengifts.
Die britische Premierministerin Theresa May erklärte anschließend vor dem Parlament, dass es sich bei den Verdächtigen um russische Agenten des Militärgeheimdienstes GRU handeln soll. Die britische Regierung macht Moskau für die Anordnung des Anschlags verantwortlich, der Kreml weist jegliche Verantwortung zurück. Der Fall führte zu einer schweren Krise zwischen Russland und dem Westen, beide Seiten wiesen dutzende Diplomaten aus. (dpa/AFP)