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Proteste in Hongkong : „Sie sagen, sie wollen bis zum Ende kämpfen“

Bei einer Demonstration für die Besetzer der Polytechnischen Universität am Dienstag halten die Menschen ihre Smartphones in die Höhe. Bild: Reuters

In Hongkong haben die meisten Hochschulbesetzer den Campus verlassen, unter ihnen rund zweihundert Minderjährige. Doch es droht schon die nächste Eskalation.

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          Womöglich war es den Vermittlern zu verdanken, dass in Hongkong noch Schlimmeres verhindert werden konnte. Die ganze Nacht und den ganzen Tag hatten Abgeordnete, Juristen und Kirchenleute in der Polytechnischen Universität verbracht, um die dort eingekesselten Aktivisten dazu zu bewegen, den Campus friedlich zu verlassen. Mehr als 500 der Hochschulbesetzer ließen sich schließlich nach draußen geleiten. Rund 200 davon waren Schüler unter 18 Jahren. Die Vermittler hatten der Polizei das Versprechen abgetrotzt, dass Minderjährige nicht festgenommen würden, sondern nach Hause gehen dürften.

          Friederike Böge
          Politische Korrespondentin für China, Nordkorea und die Mongolei.

          Dennoch dauerte es lange, das Vertrauen der jungen Aktivisten zu gewinnen. „Viele befürchteten, dass es eine Falle der Polizei sein könnte“, sagte der Abgeordnete und Vorsitzende der Lehrergewerkschaft Ip Kin-yuen. Er stand am Abend gemeinsam mit anderen Vermittlern vor der abgesperrten Universität und gab Auskunft. Trotz der Zusage der Polizei entschieden sich etliche Minderjährige zunächst, auf dem Campus zu bleiben, den sie seit Tagen besetzt hielten. Auch weil sie ältere Freunde dort hatten, für die das Angebot des freien Geleits nicht galt.

          Einige wollen bis zum Ende ausharren

          Am späten Abend harrte nur noch ein harter Kern radikaler Aktivisten auf dem Gelände aus. „Manche sind sehr entschlossen. Sie sagen, sie wollen bis zum Ende kämpfen“, sagte Ip Kin-yuen, der Parlamentarier. „Wir sind sehr besorgt über die Situation.“ Niemand konnte genau sagen, wie viele es noch waren. Die Schätzungen reichten von mehreren Dutzend bis 200. Das Gelände ist weitläufig. Nicht undenkbar schien auch, dass sich einige Gewalttäter verborgen hielten, um die Polizei aus einem Hinterhalt anzugreifen.

          Auch die Belagerungstaktik der Polizei trug wohl ihren Teil dazu bei, dass sich letztendlich so viele Besetzer zur Aufgabe entschieden. Ihre Vorräte gingen zur Neige, und die Polizei sorgte dafür, dass sie keinen Zugang zu den Essens- und Wasserspenden aus der Bevölkerung bekamen. Am Ende trieben Hunger, Durst und die ständige Angst, dass die Polizei den Campus stürmen könnte, sie aus dem Gebäude. Hinzu kam die Verzweiflung über fehlgeschlagene Fluchtversuche.

          „Wir fürchteten ein Blutvergießen“

          „Gestern noch waren wir sehr besorgt, wir fürchteten ein Blutvergießen“, sagte der Juraprofessor Eric Cheung, der ebenfalls zu den Vermittlern gehörte. „Aber durch die Vereinbarungen mit der Polizei konnte die Lage deeskaliert werden.“ Sowohl auf Seiten der Aktivisten als auch der Polizei hätten sich die Gemüter abgekühlt. Man kann sich vorstellen, dass es in den Reihen der Polizei viele gibt, die wütend darüber sind, dass die minderjährigen Aktivisten vermutlich straflos davonkommen. Schließlich hatte die Polizei die Taten der Hochschulbesetzer noch am Montag als „mörderisch“ und dem Terrorismus nah bezeichnet.

          Die Hongkonger Regierung steht zudem unter Druck, hart gegen die Aktivisten vorzugehen, wie es die Zentralregierung fordert. Regierungschefin Carrie Lam erklärte die Räumung der Polytechnischen Universität indirekt zur Nagelprobe dafür, dass Hongkong ohne Pekinger Hilfe, also ohne das Militär auskomme. „Wenn wir nicht in der Lage sind, eine Operation zu führen, um diese Aufrührer festzunehmen, (...) dann könnten wir nicht demonstrieren, dass wir die Kompetenz haben, mit der Lage umzugehen“, sagte sie auf einer Pressekonferenz.

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