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Geplantes Sicherheitsgesetz : Hongkongs neu entfachter Widerstandsgeist

Menschen in Hongkong demonstrieren am Sonntag gegen das geplante Sicherheitsgesetz. Bild: AFP

Für die Pekinger Regierung ist das Sicherheitsgesetz eine „dringende Priorität“. Viele Hongkonger beginnen schon ihre Spuren im Internet zu löschen. Die Straßen der Stadt sind wieder in Tränengas getaucht.

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          Angesichts der Pläne der Kommunistischen Partei, hart durchzugreifen, hätten die Hongkonger nun zwei Möglichkeiten: „Auswandern oder bis zum Ende kämpfen“. Das schrieb der prominente Medienunternehmer und Demokratie-Aktivist Jimmy Lai am Sonntag auf Twitter. Ähnlich äußerte sich die Aktivistin Denise Ho: „So viele haben mich diese Woche gefragt, ob ich Hongkong verlassen werde. Die Antwort ist einfach: Nein.“ Der Beschluss der chinesischen Zentralregierung, die Protestbewegung mit einem Sicherheitsgesetz zu kriminalisieren, hat den Widerstandsgeist in Hongkong neu entfacht.

          Friederike Böge
          Politische Korrespondentin für China, Nordkorea und die Mongolei.

          Tausende, vor allem junge Leute zogen am Sonntag durch zwei Einkaufsviertel der Stadt, um gegen das Gesetz zu protestieren. Dicht an dicht drängten sie sich, trotz der wegen des Coronavirus geltenden Abstandsregeln, durch die Straßen. Manche Demonstranten skandierten die Parole „Hongkongs Unabhängigkeit ist der einzige Ausweg“. Damit setzen sie sich dem Risiko aus, wegen Separatismus verurteilt zu werden, sobald das Sicherheitsgesetz in Kraft ist. Vermummte Demonstranten errichteten Barrikaden und bewarfen die Polizei mit Gegenständen.

          Die Polizei ging mit Tränengas und Wasserwerfern gegen die Menge vor. Zuvor hatte sie die Bürger über Facebook aufgerufen, sich von „nicht genehmigten Versammlungen“ fernzuhalten, und darauf hingewiesen, dass sie genügend Bereitschaftspolizisten mobilisieren werde, „um Festnahmen durchzuführen“. Mehr als 180 Personen wurden festgenommen. Noch größere Protestveranstaltungen werden in den kommenden Tagen erwartet: am 4. Juni, dem Jahrestag der Niederschlagung der Studentenbewegung in Peking im Jahr 1989. Und am 9. Juni in Erinnerung an den ersten „Millionenmarsch“ im vergangenen Jahr, der eine breite Protestbewegung in Gang gesetzt hatte.

          Die Bilder von den Straßenkämpfen erinnerten an jene Massenproteste, die wegen der Corona-Krise zwischenzeitlich zum Erliegen gekommen waren. Doch die Lage ist jetzt eine andere: Im vergangenen Jahr war es ein Auslieferungsgesetz, das über Wochen Hunderttausende mobilisierte. Dahinter stand die Angst, dass einzelne Hongkonger an die chinesische Justiz ausgeliefert werden könnten. Das Sicherheitsgesetz, das nun vom Volkskongress in Peking verabschiedet werden soll, geht jedoch viel weiter. Es soll Agenten des chinesischen Ministeriums für Staatssicherheit erstmals erlauben, auf Hongkonger Boden gegen Demokratie-Aktivisten vorzugehen. Separatismus, Untergrabung der Staatsgewalt und Einmischung ausländischer Kräfte sollen unter Strafe gestellt werden.

          Nimmt man die chinesische Realität als Maßstab, so könnten diese Begriffe sehr weit ausgelegt werden. Noch sind die Details des Gesetzes nicht bekannt. Eine einschüchternde Wirkung hat es aber bereits. Viele Hongkonger löschten alle Einträge in ihren Facebook-Konten. Zudem nahm die Nachfrage nach VPN-Software sprunghaft zu, mit deren Hilfe Nutzer sich sicherer vor staatlicher Überwachung im Internet bewegen können.

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