Hinrichtungen in Iran : Zwei weitere Todesurteile vollstreckt
- Aktualisiert am
Frauen protestieren in Teheran am 1. Oktober 2022 Bild: AP
Die Zahl der hingerichteten Demonstranten im Zuge der mehr als dreimonatigen systemkritischen Proteste steigt damit auf vier. Bundesaußenministerin Baerbock möchte nun den Druck auf Teheran erhöhen.
Mehr als drei Monate nach Beginn der Proteste in Iran wurden zwei weitere Demonstranten hingerichtet. Die iranische Justizbehörde gab am Samstag bekannt, dass Mohammed-Mehdi K. und Sejed-Mohammed H. in den frühen Morgenstunden gehängt worden seien. Sie sollen während der systemkritischen Proteste im November für den Tod eines Sicherheitsbeamten verantwortlich gewesen sein, so die Justiz auf ihrem Webportal Mizan. Damit steigt die Zahl der hingerichteten Demonstranten im Zuge der mehr als dreimonatigen systemkritischen Proteste auf vier.
Nach Angaben der Justizbehörde hatten die beiden Männer vor Gericht zugegeben, bei Protesten in Karadsch, einem Vorort der Hauptstadt Teheran, einen angeblich unbewaffneten Sicherheitsbeamten mit einem Messer erstochen zu haben. Der Sicherheitsmann war Mitglied der berüchtigten paramilitärischen Basidsch-Einheit der Revolutionsgarden. Das Gnadengesuch der beiden Angeklagten wurde dem Mizan-Bericht zufolge vom obersten Gerichtshof abgelehnt und das Todesurteil bestätigt.
Bundesaußenministerin Annalena Baerbock hat sich nach der abermaligen Hinrichtung von Demonstranten im Iran für mehr Druck der EU gegenüber Teheran ausgesprochen. Mohammed-Mehdi K. und Sejed-Mohammed H. seien vom Regime erhängt worden, „weil sie sich dem brutalen und menschenverachtenden Handeln nicht unterwerfen wollten“, schrieb die Grünen-Politikerin am Samstag bei Twitter. Dies seien zwei „weitere schreckliche Schicksale, die uns bestärken, mit der EU den Druck auf Teheran weiter zu erhöhen“.
Andere Bundespolitiker forderten harte Konsequenzen. Das Regime in Teheran sei ein Terrorregime und gehöre auf die EU-Terrorliste, schrieb der CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen und fügte hinzu: „Das muss jetzt endlich auch bei der Außenministerin und im Kanzleramt ankommen.“ FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai twitterte: „Die Verbrechen des Regimes gehen weiter (...) Wann handelt endlich die EU? Wann werden endlich die Revolutionsgarden auf die Terrorliste der EU gesetzt?“
Währung ein Viertel weniger wert
Im Zuge der landesweiten Proteste waren im Dezember bereits der Rap-Musiker Mohsen S. und Madschid-Resa R. wegen angeblichen Mordes und versuchten Mordes an zwei Basidsch-Mitgliedern hingerichtet worden. Die Hinrichtungen sorgten im In- und Ausland für Entsetzen. Die EU beschloss daraufhin auch wegen der schweren Menschenrechtsverletzungen weitere Sanktionen gegen Iran.
Die Sanktionen haben laut Experten die bereits akute Wirtschaftskrise noch weiter verschärft. Die nationale Währung Rial hat nach den Protesten über 25 Prozent an Wert verloren. Angesichts der Entwicklungen im Land ist kein Ende der Finanzkrise in Sicht. Einige Beobachter befürchten gar einen Wirtschaftskollaps in dem ölreichen Land.
Nach jüngsten Schätzungen der in den USA ansässigen Organisation Human Rights Activists News Agency (HRANA) sind bei den Protesten bereits mehr als 500 Menschen ums Leben gekommen, unter ihnen 70 Minderjährige sowie knapp 70 Polizei- und Sicherheitskräfte. Mehr als 19.000 Demonstranten seien verhaftet worden.
Neuer Polizeichef setzt sich für strenge Kleidervorschriften ein
Über die Zahl der zum Tode verurteilten Verhafteten gibt es widersprüchliche Informationen, da bei einigen das Todesurteil in Berufungsgerichten aufgehoben wurde. Die Rede ist von 20 Demonstranten, die auf der Todesliste der Justiz stehen sollen. Teheran hat diese und ähnliche Angaben bislang weder bestätigt noch dementiert.
Unterdessen hat die iranische Führung den Polizeichef des Landes entlassen. Die Absetzung von Hussein Aschtari erfolgte am Samstag durch Staatsoberhaupt Ajatollah Ali Chamenei, wie die Nachrichtenagentur Isna berichtete. Ein Grund für den Wechsel an der Spitze der Polizei wurde nicht genannt.
Aschtari war jedoch in die Kritik geraten, nachdem die 22-jährige iranische Kurdin Jina Mahsa Amini im September in Polizeigewahrsam gestorben war. Amini war von der sogenannten Sittenpolizei verhaftet worden, weil ein paar Haarsträhnen unter dem obligatorischen Kopftuch zu sehen waren. Ihr Tod wurde zum Auslöser der bis heute andauernden Proteste im Land, die sich gegen den repressiven Kurs der Regierung und das islamische Herrschaftssystem richten. Aschtari hat stets behauptet, dass die Polizei keine Schuld an Aminis Tod trage. Kritiker sind jedoch der Auffassung, dass die junge Frau von Polizisten geschlagen wurde und an einer Hirnblutung starb.
An die Spitze der iranischen Polizei berief Ajatollah Ali Chamenei nun den bisherigen Vizechef Ahmad-Resa Radan. Er ist für seine radikalen Einstellungen bekannt. Insbesondere setzte er sich stets dafür ein, dass Frauen die islamische Kleiderordnung strikt einhalten. Auch junge Männer sollten seiner Auffassung nach keinen Frisurentrends aus dem Westen folgen und bei Verstößen festgenommen werden. Aufgrund von Menschenrechtsverletzungen steht Radan schon seit 12 Jahren auf einer Sanktionsliste der USA.