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Maas in Israel und Jordanien : Diplomatie ohne Preisschild

Die Gesprächskanäle sind noch offen: Außenminister Heiko Maas (SPD, links) bei einem Treffen mit dem israelischen Außenminister Gabi Aschkenazi am Mittwoch in Jerusalem Bild: EPA

Außenminister Maas überbringt in Jerusalem die deutsche Sorge vor einer israelischen Annexion von Gebieten im Westjordanland. Beide Seiten stellen klar: Die Gesprächskanäle sind noch offen.

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          Heiko Maas als seinen ersten ausländischen Staatsgast zu empfangen, sei ein Symbol der „einzigartigen Beziehungen“ zwischen Deutschland und Israel, sagte der neue israelische Außenminister Gabi Aschkenazi am Mittwoch in Jerusalem. Als langjähriger Generalstabschef kennt Aschkenazi die Machtverhältnisse in der Welt und weiß, wo auch in Deutschland die außenpolitischen Linien gezogen werden: „Unter Bundeskanzlerin Merkel ist Deutschland ein Leuchtturm der Führungskraft in Europa und in der Welt“, betonte Aschkenazi.

          Jochen Stahnke
          Politischer Korrespondent für China, Taiwan und Nordkorea mit Sitz in Peking.

          Nun steht die Ankündigung der Regierung in Jerusalem, vom ersten Juli an Gebiete im Westjordanland zu annektieren, wie ein Keil zwischen Israel und jenen Staaten, für die Annexionen von im Krieg eroberten Gebieten einem zentralen Ordnungsprinzip der Welt widersprechen. 

          Aschkenazi ist aus anderem Holz als Netanjahu

          Anders als Ministerpräsident Benjamin Netanjahu bekräftigte Aschkenazi, man werde in der Sache auch die deutsche Sichtweise berücksichtigen und mit der „Gelegenheit“, die der amerikanische Nahostplan biete, „verantwortungsvoll“ umgehen. Eine Entscheidung sei noch nicht getroffen. „Wir wollen es im Dialog mit unseren Nachbarn tun“, sagte Aschkenazi, der damit eine Wiederaufnahme von Verhandlungen auch mit den Palästinensern nicht ausschloss, was Maas ausdrücklich begrüßte.

          Er forderte die internationale Gemeinschaft auf, den Palästinensern klarzumachen, dass „ihre Verweigerung zu Gesprächen“ nicht belohnt werden dürfe. Ashkenazi von der Blau-Weiß-Partei ist aus anderem Holz als Netanjahu, trat früher immer wieder für das Zweistaatenprinzip mit den Palästinensern ein. Und auch das Nachbarland Jordanien, in das Maas am Abend weiterflog, nannte Aschkenazi einen „wichtigen Partner von uns, um Frieden und Stabilität im Nahen Osten aufrechtzuerhalten“.

          Der SPD-Mann Maas brachte denn auch keine Wirkmittel mit nach Jerusalem. Stattdessen unterzeichnete er die Fortführung des seit 2012 bestehenden Abkommens über die Förderung der Holocaustforschungs- und Gedenkstätte Yad Vashem, die Deutschland über die kommenden zehn Jahre in Höhe von insgesamt zehn Millionen Euro unterstützt. Maas sagte, er habe Aschkenazi und seinen anderen Gesprächspartnern Deutschlands „ehrliche und ernsthafte Sorgen als besonderer Freund Israels“ dargelegt, die Deutschland mit seinen europäischen Partnern teile: Eine Annexion von Gebieten im Westjordanland sei mit internationalem Recht nicht vereinbar.

          Eine Gelegenheit zur Vertiefung der Beziehungen zur EU

          Zudem trage man ab Juli, wenn Deutschland die EU-Ratspräsidentschaft übernimmt, auch diese internationale Verantwortung mit sich. Weiter wollte Maas nicht gehen. Er habe hier „überhaupt keine Preisschilder vorgestellt“, sagte Maas in Jerusalem. Vielmehr sei er gekommen, um sich über die (Annexions-)Pläne der neuen israelischen Regierung zu informieren. Solange die israelischen Entscheidungen noch nicht getroffen seien, werde er nicht „mit Drohungen Politik“ betreiben, sagte Maas.

          Israels Außenminister nahm den Ball auf, den ihm sein treues deutsches Gegenüber zuspielte. Aschkenazi sprach von einer guten Gelegenheit für Israel, die Beziehungen zur Europäischen Union zu vertiefen, wenn Deutschland die Ratspräsidentschaft übernehme. „Wir wollen einen offenen und transparenten Dialog, wie Freunde ihn haben sollten.“

          Das sind ganz andere Töne des israelischen Außenministers, jedenfalls im Vergleich zu Netanjahu und dessen Likud-Lautsprechern, die der EU gegenüber auch öffentlich ihre Verachtung stets zeigen. Allerdings ist es auch in Israel so, dass die Außenbeziehungen nicht über Aschkenazi, sondern über Netanjahu laufen. Und dies gilt zumal im Verhältnis zu Amerika, das den Nahostplan vorgestellt hat, in dem sämtliche der rund 130 jüdischen Siedlungen in den besetzten Gebieten Israel zugeschlagen werden.

          „Jeder realistische Plan muss die realen Gegebenheiten israelischer Besiedlung anerkennen“, sagte Netanjahu wenig später zu Maas in Jerusalem, „und nicht die Illusion fördern, Menschen aus ihren Häusern zu vertreiben.“ Auch das Jordantal müsse immer unter israelischer Sicherheitskontrolle bleiben. Von einer Annexion des Jordantals wiederum sprach Netanjahu am Mittwoch nicht mehr. Mit Aschkenazi und dem Verteidigungsminister und „alternierenden Ministerpräsidenten“ von Blau-Weiß, Benny Gantz, ist sich Netanjahu über die Annexion nicht einig – was aber Berichten zufolge eine Bedingung der Amerikaner ist, deren Zustimmung im israelischen Koalitionsvertrag festgeschrieben steht.

          Treffen mit dem „alternierenden Ministerpräsidenten“: Heiko Maas spricht in Tel Aviv mit Benny Gantz (links).
          Treffen mit dem „alternierenden Ministerpräsidenten“: Heiko Maas spricht in Tel Aviv mit Benny Gantz (links). : Bild: EPA

          Im eine Autostunde von Jerusalem gelegenen Tel Aviv traf Maas am Mittwoch Gantz. Dabei wurden die bekannten Positionen wiederholt. Trotz dieser Reisetätigkeit verfügten die Israelis – offiziell unter Berufung auf Corona-Bestimmungen – jedoch, dass der deutsche Außenminister nicht, wie von Berlin zunächst gewünscht, ins unmittelbar neben Jerusalem gelegene Ramallah fahren dürfe, wo ein Treffen mit dem palästinensischen Ministerpräsidenten Muhammad Schtajjeh angedacht war.

          Mit Schtajjeh sprach Maas am Mittwochabend dann in einer Videokonferenz von der jordanischen Hauptstadt Amman aus. Dem jordanischen Außenminister Ajman Safadi konnte Maas von Uneinigkeit in der israelischen Führung berichten. Dem Nahost-Friedensplan muss also erst einmal ein innerisraelischer vorausgehen. Die Gesprächskanäle sind noch offen.

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