Wende in Libyen : Haftar bietet Waffenstillstand an
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Kämpfer der Übereinkunftsregierung feiern Haftars Abzug in Tarhouna, etwa 65 Kilometer südöstlich von Tripolis Bild: AFP
In Libyen ist General Haftar plötzlich zu Friedensverhandlungen bereit. Unter dem Druck türkischer Kriegsschiffe und Kampfdrohnen ist der Militärführer in die Defensive geraten – trotz der Hilfe aus Russland und den Emiraten.
Es sah stark nach versuchter Schadensbegrenzung aus, als Chalifa Haftar am Wochenende mit ungewohnter Kompromissbereitschaft an die Öffentlichkeit trat. Der ostlibysche Militärführer, eigentlich für seine Sturheit und Unerbittlichkeit berüchtigt, stellte am Samstag in der ägyptischen Hauptstadt einen Friedensplan vor – nach einer Reihe bitterer Niederlagen. Teil dieser „Kairoer Erklärung“ ist ein Waffenstillstand, der an diesem Montag in Kraft treten soll.
Es soll ferner ein Führungsrat aus Vertretern aller Landesteile gebildet werden. Haftar, der in seinem Krieg gegen die unter UN-Vermittlung eingesetzte „Regierung der Nationalen Übereinkunft“ in Tripolis auf russische, afrikanische und auch syrische Söldner zurückgriff, verlangte plötzlich den Abzug ausländischer Kämpfer. Die Initiative geht auf den ägyptischen Machthaber Abd al Fattah al Sisi zurück, einen wichtigen Unterstützer des ostlibyschen Warlords. Dessen andere Förderer, Russland und die Vereinigten Arabischen Emirate, hießen den Vorstoß ebenfalls gut.
Wenig Bereitschaft, auf Haftar einzugehen
Es war das Eingeständnis, dass Haftars Feldzug zur Eroberung von Tripolis, von wo die Öleinkünfte des Landes verteilt werden, gescheitert ist. Der Warlord aus dem Osten hat seine Truppen von dort abgezogen. Die Milizen unter dem Banner der Übereinkunftsregierung sind inzwischen auch jenseits der Hauptstadtgrenzen in die Gegenoffensive übergegangen. Sie eroberten die Stadt Tarhuna südöstlich von Tripolis und rückten am Wochenende auf die Küstenstadt Sirte vor, die Haftar im Januar unter seine Kontrolle gebracht hatte.
Seinerzeit klagten Kommandeure über die tödlichen Angriffe emiratischer Drohnen, die Haftars Kräfte unterstützten. Dann verstärkte die Türkei ihre Waffenhilfe. Ankara hat syrische Milizionäre nach Libyen geschickt, türkische Kriegsschiffe haben Haftars Truppen von See aus unter Beschuss genommen. Vor allem aber halfen türkische Drohnen, das Blatt zu wenden. Entsprechend gering ist jetzt die Bereitschaft der Tripolis-Regierung, auf Haftars diplomatischen Vorstoß einzugehen. Erst kürzlich hatte Innenminister Fathi Baschaga gegenüber dieser Zeitung klargestellt, für Haftar sei kein Platz mehr am Verhandlungstisch. Ein Sprecher der Übereinkunftsregierung sagte am Wochenende: „Wir haben diesen Krieg nicht begonnen, aber wir sind diejenigen, die Zeit und Ort seines Endes bestimmen.“
Für Haftars Unterstützer ist vor allem die Frage nach dem Ort entscheidend. Hinter Sirte liegt der strategisch wichtige „Öl-Halbmond“, der sich entlang der Küstenlinie bis Benghasi zieht. Haftars Kräfte kontrollieren hier zentrale Anlagen für die Öl-Ausfuhr. Moskau, Kairo und Abu Dhabi dürften schwerlich tatenlos zusehen, wenn die libyschen Alliierten der Türkei in den Öl-Halbmond vorrücken. Die Entsendung russischer Kampfflugzeuge nach Libyen wurde unter anderem als Signal an die Haftar-Gegner verstanden, die Gegenoffensive nicht zu weit voranzutreiben.
Der nächste Machtkampf könnte bald folgen
Im militärischen Triumph zeigt sich auch schon wieder die Schwäche der Regierung in Tripolis. Aus Tarhuna wurden Racheakte und Plünderungen gemeldet. Die Übereinkunftsregierung ist noch immer weit davon entfernt, eine Einheitsregierung zu sein. Der Westen Libyens wird vor allem in seiner Ablehnung des Feindes im Osten zusammengehalten. Jetzt, da die Bedrohung durch Haftar schwindet, droht neue Spaltung.
In Misrata, einem entscheidenden Machtzentrum im Westen, wurden vor dem Haftar-Feldzug unter Hardlinern ebenfalls Gedankenspiele diskutiert, das libysche Chaos notfalls mit Gewalt zu beenden und die schwache Tripolis-Regierung abzusetzen. Dem Krieg gegen Haftar könnte ein neuer Machtkampf im Westen folgen, warnten Beobachter schon, als dieser gerade erst begonnen hatte.