Griechenlands Ministerpräsident : Der Drei-Fronten-Kampf des Lukas Papademos
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Am Samstagabend richtete Papademos sich im Fernsehen an die Griechen Bild: AFP
Im Parlament in Athen hat die Debatte über das Sparprogramm begonnen, am Abend wird abgestimmt. Rechnerisch verfügt Ministerpräsident Papademos über eine große Mehrheit - doch kann er sich auf niemanden verlassen. Für die anderen Parteiführer ist die Krise nur eine Episode im Kampf um Macht.
In Griechenland herrschte Bürgerkrieg, als Lukas Papademos 1947 in Athen geboren wurde. Die eifrigsten Pessimisten in der griechischen Hauptstadt wollen darin schon einen Kreis erkennen, der sich nun, da er Ministerpräsident ist, bald schließen werde. Es bleibt zu hoffen, dass die Schwarzseher wenigstens hier irren. Bisher behielten sie im Laufe der griechischen Krise allerdings oft Recht. Vieles, was vor zwei Jahren als kaum denkbar galt, ist längst eingetreten.

Korrespondent für südosteuropäische Länder mit Sitz in Wien.
Auch ohne Bürgerkriegsszenario sind die Perspektiven düster. Die Griechen können wählen, ob sie keine Euros oder keine Drachmen haben wollen - mehr kann ihnen ihr Ministerpräsident in seiner Zwangsjacke in der Villa Maximos kaum bieten. Seit gut acht Wochen macht er eine neue Erfahrung: Als Zentralbankchef kam er zwar täglich mit der politischen Klasse in Berührung, gehörte ihr aber nicht direkt an. Der erfahrene Notenbanker wusste genau, wie Politik funktioniert, musste sich aber ihren Regeln nicht unterwerfen. Jetzt aber - als Regierungschef Griechenlands, das sich in der schwersten Krise seit der Zeit der Militärdiktatur befindet - wird Papademos von den Spielregeln der (griechischen) Politik geradezu erdrückt.
Der Ministerpräsident führt einen Dreifrontenkrieg. Mit privaten Gläubigern des Staates muss er über die Details eines Schuldenschnitts verhandeln, mit der Troika aus Europäischer Union, Europäischer Zentralbank und Internationalem Währungsfonds über den Umfang neuer Sparmaßnahmen vor der (möglichen) Freigabe eines zweiten Hilfspakets, und mit den Chefs der sein Kabinett stützenden Parteien über die Durchsetzbarkeit dieser Verpflichtungen im Inland. Dass Papademos eine äußerst schwierige Aufgabe übernommen hatte, war von Beginn an klar. Immer deutlicher zeichnet sich inzwischen jedoch ab, dass es womöglich eine unlösbare Aufgabe ist.
Als Papademos sein Amt antrat, verband sich damit vor allem die Hoffnung auf eine innenpolitische Stabilisierung durch die neu gebildete Koalition. Nun war nicht mehr der sozialistischen Pasok-Partei allein die Last des Regierens aufgebürdet, sondern noch zwei weiteren Parteien. Rechnerisch konnte und kann sich Papademos im Parlament auf eine komfortable Mehrheit stützen. Doch mit parteipolitischer Arithmetik kommt niemand weit im brodelnden Griechenland dieser Tage. Papademos muss mit allem rechnen, ohne auf jemanden zählen zu können. Er sieht sich Parteiführern gegenüber, die ihn von Beginn an nur als Objekt ihrer Machtspiele betrachteten, mit hervorragendem Sündenbock-Potential. Vielleicht hat er ihre Kurzsichtigkeit unterschätzt.
Lukas Papademos war Gastprofessor an der Universität Harvard und von 2002 bis 2010 Vizepräsident der Europäischen Zentralbank. Aus der Zeit davor, als er von 1994 an acht Jahre lang die griechische Zentralbank leitete, ergeben sich zwangsläufig unangenehme Fragen. Die wichtigste lautet, wie viel Papademos darüber wusste oder hätte wissen müssen, dass Griechenland für einen Beitritt zum Euro eigentlich nicht gerüstet war.