Griechenland : Klotho spinnt den Schicksalsfaden, Lachesis teilt ihn zu
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Nur die dritte Göttin, die ihn zerschneidet, trat im Parlament in Athen nicht auf: Noch hält Ministerpräsident Papandreou die Macht in der Hand. Doch Oppositionschef Samaras will regieren - und zwar allein.
Diesmal hat der seidene Faden noch gehalten. Es war kurz nach eins in der Nacht zum Samstag, als Parlamentssprecher Petsalnikos das Ergebnis der Vertrauensfrage verkündete, die Griechenlands Ministerpräsident anberaumt hatte. Von 298 Abgeordneten hatten 153 Giorgios Papandreou ihr Vertrauen ausgesprochen, 145 stimmten gegen ihn, zwei waren abwesend. Die Abstimmung wurde im griechischen Fernsehen übertragen. Der Preis für das spannendste politische Drehbuch des Jahres geht an Klotho und Lachesis, zwei der drei griechischen Schicksalsgöttinnen. Klotho spinnt den Schicksalsfaden, Lachesis teilt ihn zu. Nur Atropos, die ihn durchschneidet, hielt sich am Freitag noch zurück. Ihr Auftritt wird später folgen.
Auch Giorgios Papandreou bemühte in seiner Rede die Antike. Mit seinem Vorstoß, die Griechen in einem Referendum über das eigene Schicksal entscheiden zu lassen, habe er doch nur an die direkte Demokratie des antiken Griechenland anknüpfen wollen, verteidigte sich der Ministerpräsident gegen die auch aus den eigenen Reihen vorgebrachte Kritik der vergangenen Tage. Eine Dreiviertelstunde währte seine Rede im Parlament, in diesen 45 Minuten zog Papandreou alle Register. Er appellierte an die Vernunft, drohte, lobte, schwärmte und rief sogar seinen Vater und seinen Großvater zur Hilfe, die vor ihm das Land regierten: „Ich habe von meinem Großvater nur eine Uhr geerbt. Von meinem Vater erbte ich, so stand es ausdrücklich in seinem Testament, nur seinen Namen. Das ist ein größerer Reichtum als Villen.“
Mit der Erwähnung des Vaters schien Papandreou die Abgeordneten vor der von diesem gegründeten „Panhellenischen Sozialistischen Bewegung“ warnen zu wollen: „Die Pasok ist eine Papandreou-Partei. Glaubt bloß nicht, ihr werdet mich so einfach los.“ Natürlich hat er das nicht in diesen Worten gesagt. Aber so kam es an. Er habe, verkündete der um sein politisches Überleben redende Ministerpräsident, „Tabus gebrochen zum Wohle des Landes“, habe für Griechenland gekämpft ohne die geringste Unterstützung der Opposition. Doch nun sei es an der Zeit, die Schlachten von gestern zu vergessen, gemeinsam zu kämpfen. Griechenland befinde sich nämlich (zum wievielten Male eigentlich in den vergangenen zwei Jahren?), in einer „historischen Phase“, da müssten alle zusammenstehen.
So ganz schien Papandreou die Schlachten von gestern aber nicht vergessen zu wollen, denn mit Kritik an der Haupt-Oppositionspartei Nea Dimokratia (ND) sparte er nicht. Sicher habe auch seine Regierung Fehler gemacht, gestand er zu Beginn seiner Rede, aber das sei nichts im Vergleich zu den Fehlern, die zwischen 2004 und 2009 von der Nea Dimokratia begangen worden seien.
Die Forderung nach sofortigen Neuwahlen, die von ND-Chef Antonis Samaras und den anderen Oppositionsführern vorgebracht werden, lehnte Papandreou ab. Wahlen jetzt würden einen Ausfall des Parlaments für mehrere Wochen bedeuten, und ein Machtvakuum könne sich Griechenland derzeit nicht leisten.