Griechenland : Instabile Seitenlage
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Griechenlands Wutbürger lassen sich auch durch einen Wolkenbruch nicht vom Demonstrieren abhalten Bild: dpa
Die politischen Vorlieben der Griechen verändern sich täglich. Nur auf eines ist Verlass: Wer Verantwortung übernimmt, macht sich unbeliebt.
Auch Demoskopen haben es derzeit schwer in Griechenland: Sie können gar nicht so schnell fragen, wie sich das Land verändert. „Wir machen zwar weiter Umfragen“, sagt Tassos Georgiadis, „veröffentlichen die Ergebnisse aber seit Dezember nicht mehr, weil sie so schnell überholt sind. Man fragt etwas, und bis man die Ergebnisse ausgewertet hat, ist schon wieder alles anders.“ Noch Ende vergangenen Jahres war der auch im Ausland wie ein Heilsbringer begrüßte neue Ministerpräsident Lukas Papademos („Der Retter“) in Griechenland der beliebteste Politiker.
Etwa 42 Prozent der Wähler sprachen sich dafür aus, dass er länger als für die vorgesehene Übergangsfrist von wenigen Monaten Ministerpräsident bleiben möge, fast 70 Prozent hatten eine positive Meinung von ihm. „Inzwischen verliert Papademos jeden Tag an Zustimmung“, sagt Georgiadis. Zuletzt äußerte sich nur noch ein Drittel positiv über den Regierungschef. Das immerhin ist eine verlässliche Grundregel in Griechenland dieser Tage: Wer Verantwortung übernimmt (oder auch nur einen Posten), wird unbeliebt. Die innenpolitische Karriere des früheren Ministerpräsidenten Giorgios Papandreou ist auf absehbare Zeit beendet. Sein einstiger Finanzminister Giorgios Papakonstantinou, der entschlossenste Reformer in Papandreous Kabinett, gilt als Auslaufmodell.
Ansonsten lässt sich kaum etwas mit Bestimmtheit vorhersagen. Eine dermaßen starke Volatilität der öffentlichen Meinung in Griechenland habe er in den vergangenen 20 Jahren noch nicht erlebt, sagt Georgiadis. Er ist Chef des Umfrageinstituts „Kapa Research“ und einer der führenden Demoskopen des Landes. Bei vergangenen Wahlen hat sich „Kapa Research“ durch Umfragen, die teilweise auf den Prozentpunkt genau die Wahlergebnisse prognostizierten, viel Vertrauen erworben. Derzeit seien verlässliche Voraussagen über die politische Stimmung im Land aber kaum möglich, sagt Georgiadis. „Die Leute wollen nicht mehr reden. Früher riefen wir 1500 Bürger an, um 1000 Meinungen zu haben, jetzt müssen wir mindestens 2000 Anrufe machen, um genug Teilnehmer zu finden. Und selbst dann bleibt eine große Unsicherheit.“
Ohne konkurrierende Umfrageinstitute direkt zu kritisieren, rät Georgiadis zur Vorsicht bei der Bewertung der jüngsten Umfragen, aus denen sich seit einigen Wochen stets der gleiche Trend ergibt: Es führt die konservative Nea Dimokratia (ND) des möglichen nächsten Ministerpräsidenten Antonis Samaras, während die bis November vorigen Jahres allein regierende Panhellenische Sozialistische Bewegung (Pasok) Papandreous in den meisten Erhebungen nicht einmal mehr zweite Kraft ist.
So geht es beispielsweise aus einer unlängst im Auftrag des Fernsehsenders „Star“ erstellten Umfrage hervor. Demnach kann die ND bei der nächsten mit 18,6 Prozent der Stimmen rechnen, gefolgt von der spätstalinistischen griechischen Kommunistischen Partei (KKE) mit 13 Prozent und der gemäßigteren „Demokratischen Linken“ (Dimar) des Rechtsanwalts Fotis Kouvelis, der aus Umfragen schon seit längerem regelmäßig als beliebtester Politiker des Landes hervorgeht, mit 11,5 Prozent. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass für die Umfrage nur Wähler in der Region Athen befragt wurden, wo die Gesellschaft stärker ausdifferenziert ist und die kleinen linken Parteien stets leicht über dem Landesdurchschnitt liegen.