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20 Jahre nach 9/11 : Gibt das Scheitern in Afghanistan dem globalen Dschihad Auftrieb?

Taliban-Kämpfer am Flughafen von Kabul im September 2021 Bild: AFP

Seit zwanzig Jahren gibt es einen Krieg gegen den Terror. Wie groß ist die Gefahr heute, wo Islamisten den Machtwechsel in Afghanistan als Blaupause für ihre Ambitionen bejubeln?

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          Zur Symbolik kam die Aktualität: Als wäre der zwanzigste Jahrestag des 11. Septembers nicht ohnehin ein Grund zur Freude für Islamisten und Amerika-Hasser, hat das dramatische Scheitern in Afghanistan das Triumphgefühl noch einmal erhöht. Schließlich hing alles miteinander zusammen: 9/11, Osama Bin Laden, der Krieg am Hindukusch, die Taliban, Al-Qaida. Und nun sieht es so aus, als sei auf Amerikas schwerste Stunde mit zwei Jahrzehnten Verzögerung die schwerste außenpolitische und militärische Schmach des Westens gefolgt.

          Christian Meier
          Politischer Korrespondent für den Nahen Osten und Nordostafrika.

          Die Frage ist: Wird das auch dem globalen Dschihad wieder Auftrieb geben? Bin Laden ist zwar seit zehn Jahren tot, sein Nachfolger blass geblieben, und spektakuläre Anschläge in westlichen Metropolen hat es seit einiger Zeit nicht mehr gegeben. Aber der Blick auf den Globus zeigt, dass die Ideologie des Heiligen Krieges höchst lebendig ist – und die Praxis ebenso. Sie hat sich seit 2001 aber verändert: Die Dschihad-Szene hat sich diversifiziert und ihre Ansätze verändert, als Reaktion auf den Antiterrorkampf. Heute konzentrieren sich die meisten dschihadistischen Akteure darauf, lokale Instabilitäten auszunutzen und in Lücken vorzustoßen, die sich durch schlechte Regierungsführung aufgetan haben.

          Die Führung von Al-Qaida gratulierte den Taliban

          So hat sich auch der Wiederaufstieg der Taliban abgespielt. Korruption, Machtmissbrauch und die Zusammenarbeit der westlichen Mächte mit den alten Warlords bereiteten den Boden für die Propaganda der islamistischen Aufständischen, sie könnten das Land besser regieren als die „Marionettenregierung“ in Kabul. Jetzt müssen die Taliban sich beweisen.

          Islamisten in aller Welt haben den Machtwechsel in Afghanistan jedoch schon bejubelt – als Schlag gegen den Westen und als Blaupause für ihre eigenen Ambitionen. Die Führung von Al-Qaida gratulierte den Taliban zum „großen Sieg“ und schrieb in einer Mitteilung, er sei der „Auftakt“ für weitere Erfolge der Muslime anderswo und das Ende der „amerikanisch-europäischen Arroganz“. Ein führendes Mitglied der syrischen Dschihad-Gruppe Hai’at Tahrir al-Scham (Komitee zur Befreiung der Levante) schrieb ein Gedicht anlässlich des Einmarschs in Kabul. Und Abu Maria al-Qahtani, ein anderer Anführer der militanten Islamisten, rief dazu auf, eine „islamische Achse“ zu bilden mit den Taliban sowie Pakistan und der Türkei.

          Al-Qaida in Afghanistan geschwächt

          Der psychologische Effekt des Sieges der Taliban ist nicht zu verkennen und sollte auch nicht unterschätzt werden. Aber wie groß werden die konkreten Folgen sein? Es gibt Tausende ausländische Kämpfer in den Reihen der Taliban. Und viele andere Dschihadisten, die in afghanischen Gefängnissen saßen, sind im Zuge der Taliban-Eroberungen freigekommen. Sie alle könnten ihre internationalen Netzwerke jetzt besser als zuvor einsetzen und so die Dschihad-Ideologie stärken. Eine andere Frage ist, ob Afghanistan wieder ein organisatorisches Zentrum des globalen islamistischen Terrorismus sein wird wie vor zwanzig Jahren. In ihrem Abkommen mit den USA im Februar 2020 hatten die Taliban sich dazu verpflichtet, dass sie dies nicht mehr zulassen würden. Allerdings schenken die meisten Fachleute den Beteuerungen keinen Glauben. Die Verbindungen zu den in Afghanistan verbliebenen Al-Qaida-Mitgliedern gelten laut der Einschätzung von Geheimdiensten nach wie vor als eng.

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